Verhältnisse vorliegen als bei clem langen Gewehrlauf, so erscheint es doch nicht ausge¬
schlossen, daß eine hierin liegende Ursache von Fehlschüssen schon erkannt war. Auch
die nicht vollkommen starre Verbindung zwischen Rohr und Bett durch Hanfseile an
Stelle von Eisenbändern (vgl, Oberring und Unterring am Gewehr!) gewinnt dann dop¬
pelt an Bedeutung. Wahrscheinlicher freilich klingt die Erklärung, daß man die Abküh¬
lung des Rohrs durch zu tiefe Einbettung nicht verhindern und auch das Abheben nicht
erschweren wollte.
Eine klare und einfache Maßnahme dagegen ist das gewaltsame Lockern einer im Rohr
eingerosteten Kugel (97) durch ihr Eintreiben nach dem Geschützboden hin (etwa 1 mm
genügt schon). Bekanntlich lud man in Muße die Geschütze wegen des erheblichen Zeit¬
aufwandes und wartete dann den Augenblick des Eingreifens, den Sturm der Belagerer,
Bild 38. Büchse, mit Holzbett durch Hanfseile verbunden
Aus „Flavii Vegetii Renati vier bücher der Ritterschaft“, 1475/76 deutscher Erstdruck zu Augsburg
den eigenen oder feindlichen x4ngriff in der Feldschlacht u. dgl., oft tagelang ab, begab
sich also auch auf den Marsch mit den geladenen Geschützen. Daß dann die dabei nicht
selten eingerostete — natürlich eiserne! — Kugel nicht nur im entscheidenden Augen¬
blick einen „Versager44 gab, sondern auch die gefährliche Quelle von Rohr-Aufbauchun-
gen oder gar Rohr-Sprengungen bildete, war selbstverständlich längst Gegenstand unlieb¬
samer Erfahrungen.
Nur mittelbar mit Pulver und Geschütz in Zusammenhang zu stehen scheint die Lehre,
wie man auf dem Marsch glimmendes Feuer tagelang mit sich führen, dann aber beliebig
auf flammen lassen kann (84). Doch auch der Büchsenmeister brauchte beruflich ein offe¬
nes Feuer, z. B. zum Glühendmachen seines Zündeisens sowie seiner eisernen Kugeln,
um irgendein Ziel in Brand zu schießen, und zu sonstigen Zwecken. Die beschriebenen
Schwefelkerzen, die Vorläufer der späteren, nur durch Streichen an einer Reibfläche ent¬
flammbaren Schwefelhölzer, waren ein bequemes Mittel dazu. Noch einfacher waren die
chemischen Präparate mit ungelöschtem Kalk (92) oder wahrscheinlich mit Phosphor (95),
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