Volltext: Graf Stefan Tisza

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Stunde gekommen, um im eigenen Hause Ordnung zu schaffen, 
die Geister des Aufruhrs und der Desorganisation zu bannen, 
die wehrhaften Kräfte auf den Damm zu rufen. Mahnend, 
drohend und zuletzt niederwälzend war Tisza stets auf die 
Schaffung eines Sicherheitsventils bedacht. Und indem er im 
Budapester Parlament die gepanzerte Faust zeigte, spähte 
sein Blick zugleich in die Ferne, registrierte aufmerksam die 
Zuspitzung des deutsch-englischen Konfliktes, die unaus¬ 
gesetzten Reibungen im Mittelmeerbereiche, beobachtete voller 
Besorgnis das Ineinandergreifen der französichen Revanche- 
und der russischen Ausdehnungspolitik, das immer bedenk¬ 
lichere Hineingezerrtwerden Englands' in die europäischen 
Affären. Dem Dreibund war er von jeher ein treuer Anhän¬ 
ger, vertraute sich aber doch nie träge der Berliner Obhut an, 
sondern stellte sich stets auf den Standpunkt der Gegen¬ 
seitigkeit und war bestrebt, Österreich-Ungarn zu einem 
möglichst starken Pfeiler der Bundespolitik auszugestalten. 
Ihrem Wesen nach ist die österreichisch-ungarische Außen¬ 
politik nach dem Balkan orientiert und kann es gar nicht 
anders, — das hat Tisza frühzeitig erkannt. Es gibt in diesem 
Belange gemeinsame Richtlinien, die kein österreichischer oder 
ungarischer Außenpolitiker von Klarblick umgehen darf. Die 
Abwehrstellung gegenüber dem russischen Koloß, der seine 
Arme mit der scheinheiligen Geste des Schutzherrn bedrängter 
Balkanvölker verlangend nach den Donaustaaten ausstreckt, 
ist allen führenden Köpfen der k. u. k. Außengeschicke 
gemeinsam. Doch, was das Verhalten gegenüber den einzelnen 
Balkanstaaten betrifft, sind die Ansichten verschieden. 
Serbien gegenüber, das seit der Thronbesteigung der Dynastie 
Karageorgievic sich immer bewußter in das Schlepptau des 
moskowitischen Kurses nehmen läßt, herrscht ein Gefühl all¬ 
gemeinen Unmuts. Minder einmütig ist die Stellungnahme 
den übrigen Balkanstaaten, namentlich der Türkei, Bulgarien 
und Rumänien gegenüber, aber auch in bezug auf die Art und 
Weise, wie den serbischen Herausforderungen begegnet und 
was mit einem gemaßregelten Serbien angefangen werden 
soll, gehen die Meinungen stark auseinander. Für die ungari¬ 
sche Stellungnahme sind außer den auf das Prestige der 
Donaumonarchie zu nehmenden Rücksichten vor allem auch 
die Verwicklungen der Nationalitätenfrage im eigenen Lande 
ausschlaggebend. 
Nuix erhielt aber diese Frage erst in den letzten Phasen
	        
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