Das Eisenbahnnetz vom Standpunkte der Landesverteidigung.
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dreier Tage die fechtenden Truppen von vier Armeekorps von einem zum
anderen Flügel überführen.
Nicht so günstig war die Leistungsfähigkeit des östlichen Netzes.
Abgesehen von den gut entwickelten Bahnen Oberschlesiens, das mit drei
leistungsfähigen Transportstraßen ausgestattet war, konnte bei dem vor¬
wiegend landwirtschaftlichen Gepräge des Ostens und seinem im Frieden
geringen Verkehrsbedürfnis ein dichtes Netz leistungsfähiger Bahnen nicht
entstehen. In den schmalen Grenzstreifen östlich der Weichsel führten nur
zwei durchgehende, doppelgleisige Transportstraßen, Marienburg—Königs¬
berg—Insterburg und Goßlershausen—Allenstein—Korschen. Letztere ver¬
lief auf langen Strecken in nicht allzu weiter Entfernung von der russischen
Grenze und war hierdurch feindlichen Störungen leicht ausgesetzt. Aus dem
gleichen Grunde kam die in unmittelbarer Nähe der Landesgrenze gelegene
Bahn über Schönsee—Strasburg (Westpr.)—Soldau—Ortelsburg für den
Aufmarsch nicht in Betracht. Sie war überdies, wie die Mehrzahl der ost-
preußischen Bahnen, eingleisig und wenig leistungsfähig. Trotz dieser
Mängel gewährte das ostpreußische Netz bei der geringen Stärke der anfangs
im Osten eingesetzten Kräfte ausreichende operative Beweglichkeit. Erst
bei der im weiteren Verlaufe des Krieges notwendig gewordenen stärkeren
Beanspruchung der Eisenbahnen Ostpreußens erwies sich deren beschränkte
Leistungsfähigkeit recht nachteilig.
Die quer durch das Reich führenden Verbindungen waren nach
Zahl und Leistung imstande, auch hochgestellten Transportanforderungen
gerecht zu werden. So standen für Verschiebungen zwischen der West- und
Ostfront vier leistungsfähige, zweigleisige Linien zur Verfügung, deren
Zahl sich östlich der Weichsel allerdings auf zwei verringerte.
Der militärische Wert des im Jahre 1914 vorhandenen deutschen
Eisenbahnnetzes wurde noch erhöht durch eine straffe Organisation der Ver¬
waltung und durch eine mustergültige Ausgestaltung des Betriebes. Im
besonderen waren in den Jahren vor Ausbruch des Krieges Oberbau und
Brücken unter Anpassung an die erhöhten Fahrgeschwindigkeiten und
Lokomotivgewichte so verstärkt worden, daß das gesamte Netz auf seinen
Hauptstrecken den Verkehr ganzer Militärzüge zuließ. Die Vervollkomm¬
nung aller betriebstechnischen Einrichtungen, insbesondere der Sicherungs¬
anlagen, die Weiterentwicklung der Betriebsvorschriften und die hier¬
mit Hand in Hand gehende verbesserte Ausbildung und Schulung des
Personals dienten der Erhöhung der Sicherheit des Zugverkehrs. Die Ein¬
führung der Heißdampflokomotive mit ihrer durch geringeren Kohlen¬
verbrauch gesteigerten Nutzwirkung ermöglichte höhere Leistungen, und die
vor dem Abschluß stehenden Versuche zur Einführung einer durchgehenden