Volltext: Die Kriegsführung im Frühjahr 1917 (12. 1939)

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Der Krieg im Osten. 
12. April, würden sie von den politischen Leidenschaften abgelenkt. Ende April folgte 
der bereits erwähntes Funkspruch an den englischen Oberbefehlshaber in 
Frankreich, in dem russische Waffenhilfe mit allen zu Gebote stehenden Mit¬ 
teln zugesagt wurde, sobald es die Witterung erlaube. 
Unterdessen hatte am 10. April Fürst Lwow unter dem Drucke des Rates 
der Arbeiter und Soldaten ein K r i e g s z i e l m a n i f e st in die Welt 
hinausgehen lassen, das im Gegensatz zur Einstellung der bisherigen Regie¬ 
rung Eroberungen ablehnte und als Grundlage des Friedens das Selbst- 
bestimmungsrecht der Völker verlangte. Mitte April war dann Lenin 
in Petersburg angekommen, wo er aber zunächst abgelehnt wurde, selbst vom 
Arbeiter- und Soldatenrat. Immerhin wurde sein Eintreffen dem fran¬ 
zösischen Botschafter als „die schwerste Prüfung" dargestellt, die der russischen 
Revolution auserlegt werden könne'). Andererseits versuchten von England 
über Norwegen entsandte sozialistische Agitatoren im Sinne der Fortführung 
des Krieges zu wirken. 
Diese Bemühungen übten auf die Entwicklung der Lage im Heere einst¬ 
weilen keinen merkbaren Einfluß. Ebensowenig war es der bereits im März 
von der Regierung eingesetzten Kommission zur Resormierung des Heeres 
unter General Poliwanow gegenüber dem Druck des Arbeiter- und Soldaten- 
rates gelungen, die dauernd sinkende Moral der Truppen für den Kampf 
Anfang Mai. wieder zu heben. Vis Anfang Mai hatte sich der innere Zustand des Heeres 
durch die deutsche Propaganda und weiteres Eindringen politischer Einflüsse 
zusehends verschlechtert. Die Disziplinlosigkeit hatte infolge der Verhetzung 
der Soldaten gegen ihre Vorgesetzten vielfach so weit um sich gegriffen, daß 
man Offiziere festsetzte, verjagte und in einigen Fällen bei der Nordfront 
sogar ermordete. Die Zahl der Fahnenflüchtigen, die das Land durchzogen 
und den Vahnverkehr lahmlegten, schätzte man auf mehr als 1 20V 000S). 
Der Zusammenbruch schien in bedrohliche Nähe gerückt. General Alexe- 
j e w bat den Kriegsminister dringend um Abhilfe. Vor allem verlangte er 
neben der Wiederherstellung der Disziplin die Wiederheranziehung der 
Mannschaften, die sich eigenmächtig in die Heimat begeben hatten, und der 
entlassenen älteren Leute, ferner die Wiederaufnahme der gänzlich ein- 
gestellten Ergänzungstransporte und die Verbesserung der Zufuhr an Ver- 
pflegung und Futter. 
1) S. 497. 
2) Aufzeichnung des Botschafters vom 18. April 1917 (Palvologue, Bd. III, 
S. 396). 
-) Ebenda, S. 324.
	        
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