Gesamtlage beim Jahreswechsel.
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I. Möglichkeit eines deutschen Angriffs durch die Schweiz^.
Die Frage der Schweizer Neutralität war für Frankreich wie für
Italien von Bedeutung.
Seit dem 24. Dezember 1916 beschäftigte sich General F o ch auf Gene-
ral Nivelles Befehl mit der Möglichkeit eines deutschen Angriffs durch die
Schweiz auf Lyon. Aus Besprechungen, die der französische Militärattache
mit maßgebenden militärischen Persönlichkeiten der Schweiz geführt hatte,
ging hervor, daß die Bundesregierung einen deutschen Einmarsch als poli-
tischen Fehler und somit als unwahrscheinlich ansah, daß sie ihn aber wegen
der militärischen Vorteile, die er bieten konnte, auch nicht für ganz unmög-
lich hielt.
Am I.Februar 1917 legte General Foch eine erste Studie über die zu
treffenden Abwehrmaßnahmen, vor allem die Versammlung entsprechender
Kräfte, vor. Er ging von dem Gedanken aus, daß der Bewegungskrieg im
deutschen Interesse liege. Eine Überraschung der Schweizer Regierung sei
wahrscheinlich, und in den ersten Tagen dürfe man kaum mit Schweizer
Widerstand rechnen. Der Angriff auf Frankreich durch den Schweizer Iura,
vom deutschen Generalstab in allen Einzelheiten bearbeitet, würde sehr schnell
fortschreiten. In drei Tagen könnten die Deutschen die französische Grenze
südlich von Belfort, nach fünf bis sieben Tagen Pontarlier und Genf erreichen
und durch Vorwerfen schneller gemischter Abteilungen sogar die Versamm-
lung der französischen DeÄungstruppen stören. Bestenfalls dürfe man damit
rechnen, dem Feinde an der Grenze entgegenzutreten. Nur wenn die Schwei-
zer Armee den Einbruch aufhalte, würden die Berechnungen günstiger. Darum
müffe man zu gesicherten Verabredungen mit der Bundesregierung kommen.
Mit dem Schweizer Generalstab sei dann die spätere gemeinschaftliche Ope-
ration in der Ebene zwischen Genfer und Neuenburger See zu vereinbaren.
Die Aufgabe der französischen Führung sei zunächst Deckung des
französischen Bodens, dann Säuberung der Schweiz vom eingedrungenen
Feinde. Zur Sicherung der Grenze zwischen Genf und Belfort hielt General
Foch nahe herangehaltene Deckungstruppen in Stärke von vier Infanterie-
und zwei Kavallerie-Divisionen mit den nötigen Luftstreitkräften für erforder-
lich. Die Grenzbefestigungen sollten instand gesetzt und durch feldmäßige
Anlagen ergänzt werden. Dahinter wären drei Armeen zu versammeln:
Armee von Genf (elf Divisionen) bei Bourg, Jura-Armee (neun Divisionen)
bei Befantzon, Armee von Belfort (zehn Divisionen) bei Montbvliard.
General N i v e l l e war mit diesen Gedankengängen einverstanden. Am
-) S. 64 ff. und Bd. XI, S. 437.