Volltext: Die Kriegsführung im Herbst 1916 und im Winter 1916/17 : vom Wechsel in der Obersten Heeresleitung bis zum Entschluß zum Rückzug in die Siegfried-Stellung (11. 1938)

Feldmarschall von Conrad. 
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der die militärische Kriegführung Österreich-Ungarns in acht Friedensjahren 
vorbereitet und dann zweiundeinhalb Jahre lang die Operationen des 
Heeres geleitet hatte. 
Feldmarschall von Conrad ist es versagt geblieben, aus eigener Kraft 
einen Feldzug siegreich zu beenden. Das lag vor allem an der feindlichen 
Übermacht, aber auch an AnVollkommenheiten des Werkzeuges, über das 
er verfügte. Angesichts der einander widerstreitenden Bestrebungen der ver- 
schiedenen Völker und Parteien der Doppelmonarchie war es ihm trotz 
heißen Bemühens nicht gelungen, eine der gefährdeten außenpolitischen 
Lage entsprechende Stärke, Bewaffnung und Ausrüstung des Heeres durch¬ 
zusetzen; auch Landesbefestigung und Leistungsfähigkeit der Bahnen ließen 
viel zu wünschen übrig. In der Ausbildung hat er den exerziermäßigen 
Drill, der bei einem völkisch und sprachlich bunt zusammengesetzten Heere 
wohl besonders nötig gewesen wäre, vielleicht allzu sehr zurückgestellt. Die 
Schwächen, die dem österreichisch-ungarischen Heere bei allen vorzüglichen 
Eigenschaften infolge der Gesamtheit dieser Verhältnisse nun einmal an- 
hafteten, hat er unterschätzt: „Man muß es selbst durchgemacht haben, was 
es heißt, mit einem Instrument arbeiten, das einem unter der Hand zer- 
bricht" — schrieb er im September 1914'). Dem kühnen Gedankenflug und 
starken Wollen des Generalstabschefs waren Fesseln angelegt, gegen die er 
machtlos war. 
Für sein operatives Planen und Handeln waren nicht immer nur rein 
militärische Erwägungen der Gesamtkriegführung der Mittelmächte maß- 
gebend, sondern wie in jedem Bündniskriege traten Rücksichten auf die 
Sonderbelange des eigenen Staates hinzu, und das um so mehr, als die 
schwere Aufgabe des gleichzeitigen Kampfes gegen Rußland und Serbien, 
dann auch Italien und schließlich gar noch Rumänien weit über Öfter- 
reich-Ungarns Kraft ging. Dieses aus zehn „Völkern" zusammengesetzte 
Staatswesen war politisch, militärisch und wirtschaftlich noch weit weniger 
als Deutschland in der Lage, einen langen Krieg auszuhalten. Früh- 
zeitiges Niederwerfen seiner Gegner mußte notgedrungen die immer wieder 
hervortretende Forderung seiner Heeresleitung sein und Angriff ihre Losung; 
dazu aber war starke deutsche Hilfe nötig. Diese Abhängigkeit hat auf Feld- 
Marschall von Conrad schwer gelastet; denn er fühlte sich mit Recht als der 
Feldherr einer selbständigen europäischen Großmacht: Österreich-Angarn 
sollte an Kraft und Ansehen gefestigt aus dem großen Ringen hervorgehen; 
wenn schon der Bundesgenosse helfen mußte, so sollte das zum mindesten 
nach außen hin möglichst wenig in Erscheinung treten. In solcher Ein- 
stellung liegt die Erklärung für den Widerstand, den er jeder Steigerung 
*) Feldmarschall Conrad, „Aus meiner Dienstzeit", Vd. IV, S. 648. 
Weltkrieg. XI. Band. ^
	        
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