Feldmarschall von Conrad. 497 der die militärische Kriegführung Österreich-Ungarns in acht Friedensjahren vorbereitet und dann zweiundeinhalb Jahre lang die Operationen des Heeres geleitet hatte. Feldmarschall von Conrad ist es versagt geblieben, aus eigener Kraft einen Feldzug siegreich zu beenden. Das lag vor allem an der feindlichen Übermacht, aber auch an AnVollkommenheiten des Werkzeuges, über das er verfügte. Angesichts der einander widerstreitenden Bestrebungen der ver- schiedenen Völker und Parteien der Doppelmonarchie war es ihm trotz heißen Bemühens nicht gelungen, eine der gefährdeten außenpolitischen Lage entsprechende Stärke, Bewaffnung und Ausrüstung des Heeres durch¬ zusetzen; auch Landesbefestigung und Leistungsfähigkeit der Bahnen ließen viel zu wünschen übrig. In der Ausbildung hat er den exerziermäßigen Drill, der bei einem völkisch und sprachlich bunt zusammengesetzten Heere wohl besonders nötig gewesen wäre, vielleicht allzu sehr zurückgestellt. Die Schwächen, die dem österreichisch-ungarischen Heere bei allen vorzüglichen Eigenschaften infolge der Gesamtheit dieser Verhältnisse nun einmal an- hafteten, hat er unterschätzt: „Man muß es selbst durchgemacht haben, was es heißt, mit einem Instrument arbeiten, das einem unter der Hand zer- bricht" — schrieb er im September 1914'). Dem kühnen Gedankenflug und starken Wollen des Generalstabschefs waren Fesseln angelegt, gegen die er machtlos war. Für sein operatives Planen und Handeln waren nicht immer nur rein militärische Erwägungen der Gesamtkriegführung der Mittelmächte maß- gebend, sondern wie in jedem Bündniskriege traten Rücksichten auf die Sonderbelange des eigenen Staates hinzu, und das um so mehr, als die schwere Aufgabe des gleichzeitigen Kampfes gegen Rußland und Serbien, dann auch Italien und schließlich gar noch Rumänien weit über Öfter- reich-Ungarns Kraft ging. Dieses aus zehn „Völkern" zusammengesetzte Staatswesen war politisch, militärisch und wirtschaftlich noch weit weniger als Deutschland in der Lage, einen langen Krieg auszuhalten. Früh- zeitiges Niederwerfen seiner Gegner mußte notgedrungen die immer wieder hervortretende Forderung seiner Heeresleitung sein und Angriff ihre Losung; dazu aber war starke deutsche Hilfe nötig. Diese Abhängigkeit hat auf Feld- Marschall von Conrad schwer gelastet; denn er fühlte sich mit Recht als der Feldherr einer selbständigen europäischen Großmacht: Österreich-Angarn sollte an Kraft und Ansehen gefestigt aus dem großen Ringen hervorgehen; wenn schon der Bundesgenosse helfen mußte, so sollte das zum mindesten nach außen hin möglichst wenig in Erscheinung treten. In solcher Ein- stellung liegt die Erklärung für den Widerstand, den er jeder Steigerung *) Feldmarschall Conrad, „Aus meiner Dienstzeit", Vd. IV, S. 648. Weltkrieg. XI. Band. ^