Grundgedanken der Gesamtkriegfllhrung.
Z21
Kräfte genügen. Eine weitere Abgabe nach dem Osten ist aber nicht an-
gängig".
Ganz in Übereinstimmung hiermit steht, was General von Falken-
Hayn einige Wochen später am 8. Juli, als die Somme-Schlacht bereits tobte, «
als Unterlage für einen dem Kaiser zu haltenden Vortrag
rückschauend aufgezeichnet hat:
„Unsere Gesamtkriegführung wurde bisher nach folgenden einfachen
Gedanken geleitet: Im Osten schien es bei den inneren Zuständen Ruß-
lands genügend, wenn das während des vorigen Jahres Gewonnene im
großen ganzen behauptet wurde. Im Westen waren wir entschlossen,
Frankreich durch Vlutabzapfung zur Besinnung zu bringen. England sollte
dadurch zum offensiven Vorgehen gezwungen werden, das, wie wir hofften,
ihm schwere Verluste, aber keinen entscheidenden Erfolg und uns später die
Gelegenheit zur Gegenoffensive bringen würde. Auf diese Weise erwarteten
wir, den drei Hauptgegnern bis zum Winter die Lust zur Fortführung des
Krieges so gründlich verleidet zu haben, daß aus solcher Stimmung sich der
siegreiche Friede in irgendeiner Form entwickeln mußte".
Die grundlegende Frage war, ob an dieser Auffassung der Gesamt-
kriegführung auch nach dem Zusammenbruch der Ostfront des Verbündeten
festgehalten oder ob das Schwergewicht, wenn auch nur vorübergehend, auf
den östlichen Kriegsschauplatz verlegt werden sollte. Wenn Generaloberst
von Conrad sich mehrfach mit Nachdruck in letzterem Sinne geäußert hatte,
so ergab sich doch, daß er aus eigener Kraft Entscheidendes beizusteuern
nicht in der Lage war'). In der Umgebung des deutschen Generalstabschefs
war es General von Wild, der auf sofortigen Massenangriff deutscher Kräfte
im Osten drängte, gleichzeitig aber auch an offensiver Kriegführung im
Westen festhalten zu können glaubte.
Solche Pläne, die auf Überschätzung der deutschen Leistungsfähigkeit
beruhten, lehnte der Chef der Operationsabteilung, Generalmajor Tap-
Pen, in seiner vorerwähnten2) „Beurteilung der Lage" vornehmlich des-
halb ab, weil dann die Möglichkeit aufhöre, „den entscheidenden Offensivstoß
im Westen nach abgeschlagenem englischen Angriff zu führen"; die Ver-
legung des Schwergewichts nach dem Osten sei eine sehr unerwünschte Ma߬
nahme, die nur im Notfalle ergriffen werden dürfte.
Der verantwortliche Leiter der Gesamtoperationen selbst sah die Frage
mehr von allgemeinen Gesichtspunkten aus und kam dabei gleichfalls zur
Ablehnung des Gedankens einer großen Ostoffensive. Cr gab sich nüchtern
Rechenschaft über die Möglichkeiten und Aussichten, die in der völlig
S. 490 f.
2) S. 320.
Weltlrieg. X. Band,
21