4 Die Oberste Heeresleitung um die Jahreswende 1915/16.
Ende >si5. dem türkischen Vizegeneralissimus Enver Pascha in Orsowa getroffenen
Vereinbarungen') durch begrenzte Unternehmungen auf den türkischen
Kriegsschauplätzen in der islamitischen Welt der Glaube an die Verwund-
barkeit Englands wachgehalten, englische Kräfte fern vom Hauptkriegs-
schauplatz gebunden und Rückschläge des Verbündeten verhütet wurden.
Auch einem Angriff auf Saloniki, über dessen Durchführung erst nach Klä-
rung der Haltung Griechenlands entschieden werden sollte^), maß er vom
Standpunkt der Gesamtkriegführung nur die Bedeutung einer Ablenkungs-
operation bei, durch die britische und französische Kräfte an nichtkriegsent-
scheidender Stelle gefesselt würden.
Der Generalstabschef glaubte indessen, daß feine Ablehnung einer ent-
scheidungsuchenden Offensive gegen die Engländer nicht nur für die Neben-
kriegsschauplätze gelten müsse, sondern daß auch auf dem Hauptkriegsschau-
platz in Frankreich und Belgien gegenüber der britischen Front von einer
Durchbruchsoperation großen Stils, wenigstens zu Beginn des kommenden
Entscheidungskampfes, Abstand zu nehmen sei. Ihr Ziel könne immer nur
„die so gut wie vollständige Vertreibung der Engländer vom Festlande, die
Zurückdrängung der Franzosen hinter die Somme" (W. D.) sein. Die dazu
erforderlichen Kräfte ständen der deutschen Heeresleitung nicht zur Verfü-
gung, ganz abgesehen davon, daß der nördliche Teil der britischen Front im
Hinblick auf die Witterungsverhältnisse in Flandern bis ins mittlere Früh-
jähr für weitzielende Unternehmungen nicht in Frage käme. So uner-
wünscht ein solcher Verzicht gefühlsmäßig erscheinen mochte, so hielt General
von Falkenhayn ihn doch in der Erwägung, „daß der Krieg mit eigenen
Kräften auf dem europäischen Festlande für England im Grunde eine
Nebenhandlung sei" (W. D.), für erträglich, fofern es statt dessen gelang,
die eigentlichen Werkzeuge Englands auf dem europäischen Kontinent, das
französische, russische und italienische Heer, außer Gefecht zu setzen. Mit
hoher Wahrscheinlichkeit sei auf ein Nachgeben Englands zu rechnen, wenn
es sich der Hilfe seiner Verbündeten beraubt und auf sich allein gestellt
sehen würde.
t'lber die Frage, welche Bedeutung unter diesem Gesichtspunkte einem
Angriff gegen Italien zukomme, war General von Falkenhayn in einen
Meinungsaustausch mit dem Generalstabschef des österreichisch-ungarischen
Heeres, Generaloberst von Conrad, eingetreten, der sich am 10. De-
zember in einer Besprechung in Teschen sehr warm für diesen Gedanken
1) Band IX, S. 488/89.
2) Ebenda, S. 316.