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Die Karpaten-Offensive.
Als ganz besonders günstig für die Deutschen sah Danilow die Lage Ost¬
preußens an. „Wir dursten kaum den Entschluß fassen, tief in das Innere
Deutschlands einzudringen, ohne uns vor einer Flanken-, ja sogar Rücken¬
bedrohung zu sichern, die Ostpreußen mit seinen über die Weichsel füh¬
renden Cisenbahnbrücken, falls es in den Händen der Deutschen verblieb,
gebildet hätte. Solch ein Entschluß hätte uns in eine überaus gefährliche
Lage bringen können." Aber auch sonst sei die Eroberung Ostpreußens von
größter Bedeutung: „Der Krieg wird nach Deutschland hineingetragen,
die unvermeidliche Flucht der Bevölkerung muß im ganzen Deutschen Reich
Anruhe hervorrufen, während die Eroberung eines der wichtigsten Gebiete
der preußischen Krone eine Kompensation für den Verlust eines Teiles
unseres Weichsel-Gebietes an die Deutschen bedeutet hätte." Endlich sei
das Gebiet Ostpreußens der einzige Abschnitt der ganzen Rordwestfront
gewesen, wo noch auf taktische Erfolge zu hoffen war.
Aus allen diesen Gründen war General Danilow dafür, sobald es die
Amstände erlaubten, gegen Deutschland, und zwar gegen Ostpreußen, anzu¬
greifen. Dazu sollten alle verfügbaren Reserven — das Gardekorps, das
soeben erst vom fernen Osten eingetroffene IV. sibirische und das wieder
neu ausgestellte XV. Korps — verwendet werden. Der Großfürst und der
Oberbefehlshaber der Rordwestsront waren einverstanden. Rach den ange¬
stellten Berechnungen konnte der Angriff etwa in der zweiten Hälfte des
Monats Februar beginnen; bis dahin erwartete man auch das Eintreffen
der neu ausgehobenen Rekruten des Jahrganges 1914 und eine Besserung
der Munitionslage.
Die Kämpfe an der S üdw e stfro nt.
Im Januar 1915 stand die Heeresgruppe der Südwestsront unter
General Iwanow mit der 4. und 9. Armee (17^ Infanterie-Divisionen)
auf dem linken Weichsel-Afer. Die 3., 8. und 11. Armee (29 Infanterie-
Divisionen) lagen in Galizien, und zwar mit der Masse unter überaus
schwierigen Verhältnissen in den verschneiten Karpaten. Der linke Flügel
ihrer Hauptkräfte stand südlich der österreichisch-ungarischen Festung Prze-
mysl, die von drei Landwehr-Divisionen eingeschlossen war; östlich vom
Azsoker-Paß bis zur rumänischen Grenze standen auf 250 Lin breiter Front
im ganzen nur etwa vier Divisionen, davon drei aus Landwehr zusammen¬
gesetzt.
General Iwanow hatte von den Absichten der Obersten Heeresleitung
zunächst keine Kenntnis. Cr war nach wie vor überzeugt: „Der Weg