30. August. — Die Kämpfe des I. Armeekorps bei Neidenburg.
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dorf-Wallendorf angesetzt, sie sollte außerdem ein Regiment zur
Sicherung von Neidenburg stellen. Die 1. Infanterie-Division sollte
sich- dem Vorrücken der 2. Infanterie-Division entsprechend, an der großen
Straße ostwärts weiter zusammenschieben. Als dann am 29. August
abends die Fliegermeldung einging, nach der eine russische Kolonne aller
Waffen im Anmarsch von Mlawa her die Reichsgrenze südlich Neidenburg
erreicht hatte, schien Vorsicht geboten. Die Ausgabe der im Armeebefehl
vom 29. August abends gesteckten weiteren Verfolgungsziele machte
General v. Franyois daher von dem Ergebnis der auf Mlawa angesetzten
Lufterkundung abhängig.
Am 30. August um 915 vormittags wurde die erwartete Flieger¬
meldung i) auf dem Neidenburger Marktplatz abgeworfen: Mindestens ein
russisches Korps war im Anmarsch und sein Ansang schon unmittelbar
vor Neidenburg. Daß der Gegner plötzlich in so unmittelbarer Nähe
und in solcher Stärke auftrat, war trotz allem eine Überraschung. General
v. Fran?ois sah die Lage aber doch nicht allzu ernst an. Er schätzte die
Angriffskraft des anrückenden Feindes nicht hoch ein. Rasch entschlossen
erteilte er die dringendsten Befehle: Er wollte die Verfolgung der ein¬
geschlossenen Russen fortsetzen und gleichzeitig den neuen Gegner abwehren.
Offiziere im Kraftwagen überbrachten die Weisungen: Die noch bei
Neidenburg stehenden Kräfte hatten südlich der Stadt standzuhalten, die
2. Infanterie-Division sollte sich mit allen verfügbaren Teilen über
Eregersdorf nach Süden gegen den neuen Feind wenden, die 5. Landwehr-
Brigade, die vielleicht schon auf Mlawa angetreten war, sollte nach eigenem
Ermessen entweder dorthin in des Feindes Rücken oder gegen seine Flanke
auf Kandien (südlich Neidenburg) eingreifen. Sobald diese dringendsten
Befehle gegeben waren, verlegte General v. Fran?ois seinen Gefechts¬
stand an die große Straße östlich Eregersdorf, um dort die weiteren An¬
ordnungen für den Kampf zu treffen.
Die Aufgabe, die das I. Armeekorps zunächst ganz allein zu lösen
hatte, war außergewöhnlich schwierig: Vor ihm die trotz der zu¬
nehmenden Gefangenen- und Beutezahlen noch keineswegs erledigten
Reste des russischen XIII. und XV. Korps, im Rücken ein anderes feind¬
liches Korps im Anmarsch, — die eigenen Truppen nach viertägigem
Kampf in kleine Abteilungen ausgelöst und, ohne die Gefahr im Rücken
zu ahnen, im Vollgefühl des Sieges in der Bewegung durch den großen
Wald nach Osten, die gesamte Kavallerie des Korps in dieser Richtung
weit voraus und nicht erreichbar. Wollte man die Einschließung der
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