Volltext: Der Weltkrieg in 28 Einzeldarstellungen (1 ; 1921)

68_Litzmann. 
Mann und Pferd mußte auch das weitere Zurückführen ihres Trosses 
auf den 25. Nov. verschoben werden. Am Nachmittag dieses Tages 
konnten die beiden Reservedivisionen den Abmarsch in nördlicher 
Richtung fortsetzen. Die 3. Gardedivision deckte ihn gegen starke 
von Südwesten nachdrängende Kräfte, wobei es wieder zu blutigen 
Gefechten kam. Am 26. wurde eine geschlossene, gegen Osten ge¬ 
richtete Armeefront hergestellt; der Anschluß an das XX. Korps 
war gewonnen. In dieser Stellung wurde unter harten Kämpfen das 
Eintreffen namhafter Verstärkungen vom westlichen Kriegsschauplatz 
abgewartet Dann kam ein Umschwung der Lage: Der Feind gab 
das Spiel verloren und zog ab. Die Schlacht bei Lodz war ge¬ 
wonnen. 
Der Durchbruch nach Brzeziny hatte die Armeegruppe Scheffer 
vor der Vernichtung bewahrt. Großfürst Nikolai Nikolajewitsch 
hatte an seinem vollsieg nicht gezweifelt und Leerzüge bereitstellen 
lassen zum Abtransport der „drei Armeekorps *) und zwei Kavallerie¬ 
divisionen zählenden Deutschen" in die Gefangenschaft. Die Ln- 
tentepresse triumphierte. Aber Sieger wurde nicht der Russe, son¬ 
dern der Deutsche, indem er den ihn umgebenden Russenring durch¬ 
brach. Dabei ging uns nicht ein einziges Geschütz verloren, unsere 
verwundeten konnten fast alle geborgen werden, und f6000 ge¬ 
fangene Russen, 6^ erbeutete russische Geschütze wurden von uns 
mitgebracht. 
Brzeziny lehrt, daß Überlegenheit an sittlichen Kr äs¬ 
ten selbst eine verzweifelte Lage in Sieg umzuwandeln vermag. 
Feldherrnkunst kam beim Durchbruch kaum in Betracht. Die Über¬ 
legenheit der Zahl war auf Seite der Russen und sehr bedeutend. 
Sie hatten Nachschub an Munition und Verpflegung, während wir 
seit dem 22. Nov. empfindlichen Mangel litten. Die taktische Lage war 
für uns überaus schlimm, — für den Gegner sehr günstig geworden, 
wir hätten zugrunde gehen müssen, wenn nicht die sittlichen Kräfte 
bei uns so stark entwickelt gewesen wären: Die gemeinsame glühende 
Vaterlandsliebe und das hohe Gefühl für deutsche Ehre, die todes¬ 
mutige Opferwilligkeit und die treueste Kameradschaft, vor allem 
der zähe, unerschütterliche Wille zum Siege. Diese 
Kräfte beseelten damals jeden Einzelnen, vom General bis zum 
letzten Grenadier und Füsilier, Kanonier und Pionier: Sie schufen 
jenen Heldengeist der Truppe, der auch unter den widrigsten Um¬ 
ständen den Sieg verleiht. 
*) (Es ist bezeichnend, daß in russtschen Berichten immer von drei Korps 
gesprochen wird. Die drei Divisionen, die dem Feinde soviel Respekt eingeflößt haben, 
waren dabei am 23. November zusammen nur etwa noch 8000 Gewehre stark.
	        
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