Volltext: Der Weltkrieg in 28 Einzeldarstellungen (1 ; 1921)

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v. Lettow-Vorbeck 
fall traf die schwache Zahl besonders empfindlich. Dafür wuchs 
aber die Beweglichkeit und damit die Aussicht, den unbeholfenen 
Feind zu schädigen und sich ihm nach Belieben wieder zu entziehen. 
Auch der Verlust unserer festen Lazarette und Magazine wies darauf 
hin, in Zukunft unsere Kriegführung in ganz anderem Maße be¬ 
weglich zu gestalten als bisher. Es galt, diesen Gedanken zu er¬ 
fassen und auszubauen. Ganz anders noch als bisher mußten 
Unternehmungslust und Entschlußfreudigkeit wachgerufen werden: 
Wieder mußte einsehen, daß wir von jetzt an allen Bedarf an Muni¬ 
tion, Arznei, Material beim Feinde erbeuten mußten. Das spornte 
zum handeln an. Reine rückwärtige Verbindung mehr fesselte uns; 
wo wir hielten, waren wir zu krause, vorausgesetzt, daß wir Ver¬ 
pflegung fanden. An letzterer hatten wir noch einen Bestand von 
^ Tagen; wir mußten, um diesen zu tragen, ^000 Träger mit¬ 
nehmen. Damit wuchs unsere verpflegungsstärke auf 6000 Köpfe! 
Konnte man es wagen, mit dieser großen Zahl loszuziehen in das- 
unbekannte Land? würde es möglich sein, sie zusammenzuhalten 
und zu verpflegen? Die Aussicht, mit 6000 hungrigen Schwallen 
irgendwo in der wüste liegen zu bleiben, war nicht verlockend! 
Neue schwere Zweifel. 
wohin sollte der weitere Marsch gehen? Auf Verpflegung wär 
in deutschem Gebiet kaum noch zu rechnen, und bis zur neuen Ernte 
waren es noch vier Monate! Der Blick lenkte sich nach Süden, 
über den Novuma, in's portugiesische Gebiet hinein. Der eine 
Landeskenner sagte: dort gibt es auf dem Mawia-kfochland viel, 
der nächste: es gibt dort gar nichts! Eine Grundlage, auf der man 
einen Plan aufbauen konnte, war nicht zu schaffen. In der Gegend 
des Lujenda-Flusses hatten unsere Patrouillen vor einem halben 
Jahr guten Anbau festgestellt; doch seitdem hatte sich sicherlich viel 
verändert. 
Aber ein Entschluß mußte gefaßt werden, und zwar sofort. 
Das Gefecht ging weiter, die Patronen wurden immer weniger. 
Mit allen ihren Teilen im Gefecht, von allen Seiten hart bedrängt, 
mußte die Truppe ihre Neuformierung durchführen. Die Kom¬ 
pagnien wählten die Leute aus, die Zurückbleibenden sammelten 
sich im Lazarett Nambindinga. Die überflüssigen Waffen wurden 
vernichtet, anderes verbrannt. Mancher verlor die ruhige Über¬ 
legung. wichtige, vom Intendanten mit größter Mühe gesammelte 
und geschonte Bestände nahmen die Kompagnien ohne Erlaubnis, 
fast der gesamte Zucker verschwand auf diese weise. Es war schwer, 
die Ordnung aufrecht zu erhalten. 
Das Kommando verbrachte die Nacht auf halber Höhe des 
Makonde-Anstieges, unter uns lag das letzte Wasser im Maschineni- 
gewehrfeuer des Feindes. Tüchtige Europäer, auf die ich gerechnet 
hatte, waren am Ende ihrer Kraft angelangt und baten um ihr« 
Entlassung. Am nächsten Morgen mußte ich mich von mehreren
	        
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