Cambrai
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ständen behauptet werden, weil sonst von dort aus die ganze deutsche
Arrasfront vom Rücken her mit Aufrollen bedroht gewesen wäre.
Ihren unbestreitbaren und mit geringen Verlusten erkauften
Linbruchserfolg hatten die Briten noch am gleichen Tage in Lon¬
don unter ungeheurem Jubel der Bevölkerung mit dem Läuten aller
Glocken gefeiert.
In den folgenden Tagen und Nächten hat der Engländer den
Frontabschnitt Pronville-Fontaine und insbesondere den Bourlonwald
unter 'massenhaftem Einsätze schwerer Artillerie und ungeheuerer Ge¬
schoßmengen, mit äußerster Kraft und Wut angegriffen, um den Durch¬
bruch zu erzwingen '— aber vergebens, vergebens, weil es der
deutschen Heeresleitung gelang, die nötigen Abwehrtruppen recht¬
zeitig heranzuführen; vor allem aber, weil diese Truppen und ihre
Offiziere unter Anspannung des letzten Nervs Leib und Seele
daransetzten, um des übermütigen Briten wieder Herr zu werden
und um seinen Erfolg in eine Niederlage zu verwandeln. So ist
die verteidigungsschlacht und die ihr folgende Angriffsschlacht bei
Lambrai eins der schönsten Beispiele dafür geworden, daß die
Tatkraft der Führung und die Tapferkeit der Truppe auch aus
gefährlicher, ja anscheinend verzweifelter Lage herausführen können
zum vollen Siege.
An diesen beiden Schlachten haben nun Hunderttausend« von
deutschen Kriegern aller Stämme und aller Waffen teilgenommen
— und doch hat ein jeder nur einen kleinen, zeitlich und örtlich eng
begrenzten Ausschnitt davon erlebt; ja er wußte, eilends mit der
Bahn herangeführt und sogleich in die Front geworfen, vielfach
weder, uni was es sich bei seiner Kampftätigkeit eigentlich handelte,
noch was er zur Lösung der großen Kampfaufgabe beigetragen hatte.
Und noch weniger wußte und erfuhr der Mann, aber auch der
Offizier in Reih und Glied, davon, wie eigentlich die Kampfhandlung,
bei der er mitwirkte, zustande kam und durch welche geistige Trieb¬
federn alle diese Truppen bewegt und schließlich zum Siege geführt
wurden, von alledem wenigstens nachträglich etwas zu hören, das
ist der Wunsch und das Recht der Mitkämpfer; davon soll also
in Nachstehendem auf Grund persönlicher Eindrücke, Erlebnisse und
Erfahrungen — als Führer des XIV. Reservekorps (Gruppe Arras)
— erzählt werden.
Auf die Nachricht von dem großen britischen Einbruch in den
Tambraibogen faßte die deutsche Oberste Heeresleitung in Kreuz¬
nach unverzüglich den Entschluß, den Durchbruch unter allen Um¬
ständen zu verhindern und dazu alsbald von den anderen Kampf¬
fronten und aus den Heeresreserven die erforderlichen Streitkräfte
und die nötige Munition zur Stelle zu schaffen. Fernschreiber, Telex-
graph und Telephon begannen daher schon in der Nacht vom 20.
zum 2\. November nach allen Richtungen zu spielen; die Heeres¬
gruppen, namentlich die Gruppe Kronprinz Rupprecht von Bayern