Volltext: Österreich (3; 1923)

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pfersmann v. Lichthal 
Rund ^ 000 Gewehre (ungerechnet die lokalen italienischen 
Standschützen!) hatte die Grenzverteidigung seit dem Rlai ge¬ 
wonnen. wohlgezählte s^OOO Rexetiergewehre hatten die Ita¬ 
liener heute mehr gegen sich, als drei Tage früher. Ls kam nun 
doch durchschnittlich auf 1,0 m Schützengraben ein Gewehr. Be¬ 
sonders bedrohte Abschnitte (Iudicarien, Riva, Ltschtal, Hochflächen 
von Lafraun und Vielgereuth, Therz, Kreuzberg) waren sogar schon 
halbwegs ausreichend besetzt, Pier kam durchschnittlich schon auf 
2—3 m im Schützengraben ein Gewehr, eine Besetzung, die doch 
nicht mehr ohne weiteres zu überrennen war! 
Auch die Nordtiroler, infolge der großen Entfernungen lang¬ 
samer mobilisierend als ihre Mitteltiroler Kameraden, setzten sich 
vom 22. Rlai an in Bewegung. Am Abend dieses Tages fuhr 
das vorderste Nordtiroler Standschützenbataillon (Imst) über den 
Brenner. In den Waggons versuchten harte Tiroler Bauernfäuste 
zum erstenmal den ungewohnten Drehverschluß der erst bei der 
Durchfahrt durch Innsbruck ausgegebenen deutschen Mausergewehre. 
So gelang auch noch diese Umbewaffnung, einer der wichtigsten 
Punkte des Tiroler Verteidigungswerkes. 
Beruhigt konnten sich die Tiroler Führer an jenem 22. Mai 
abends schlafen legen! 
Auch der schicksalsschwere 23. Mai $^5 (Pfingstsonntag) verlief 
vollständig planmäßig und ungestört. An diesem Tage rollten sämt¬ 
liche Nordtiroler Standschützen-Bataillone über den Brenner, ihren 
Aufmarschstationen im Zentralraume zu. 
Mit dem Eintreffen des letzten der ^0000 Standschützen auf 
Südtiroler Boden war auch der letzte Punkt des Tiroler Ver¬ 
teidigungswerkes erfüllt. Nicht ein Pünktchen fehlte daran. 
Zufrieden überschauten Kommandant und Generalstabschef an 
diesem vormittag ihr Werk: Sie hatten Tirol vor mehr als neun 
Monaten schutzlos übernommen, ohne geschlossene Befestigungen, 
ohne Truppen, ohne die geringste Verteidigungsorganisation. 
peute standen in 330 Irin langer, fast lückenloser Felsenstellung 
rund 70 000 buchstäblich aus dem Boden gestampfte, wohlaus¬ 
gerüstete und bewaffnete, von bestem Geiste beseelte Verteidiger, 
darauf brennend, dem Erbfeinde, wenn er kam, einen üblen Emp¬ 
fang zu bereiten. Daß in den 70000 Soldatenmonturen nicht 
5000 wirkliche Soldaten steckten, wußten die Feinde glücklicher¬ 
weise nicht. 
Drei viertel eines schweren Kriegsjahres waren zu Ende. 
Die Tiroler Führer hatten Aufregungen und Nervenanspan¬ 
nungen zu überwinden, harte, anscheinend aussichtslose Arbeit zu 
leisten, die Zähne zusammenzubeißen gehabt, wie kaum irgendwer 
in diesem Kriegsjahre. Aber sie hatten alles gerne ertragen, gerne 
getan, weil es galt, das in sie gesetzte vertrauen zu rechtfertigen.
	        
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