Einiges vom wiener Landsturm
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Unser Vorhaben bestand eigentlich bloß darin, auszukund¬
schaften, auf welche Weise die zwei russischen Beobachter auf den
Baum gelangten. Wahrlich, ein lächerliches Unternehmen! Aber
das Rriegsglück war uns hold und unser freiwilliger Patrouillen¬
gang sollte sich zu einem sehr ernsten, gewagten und erfolgreichen
Unternehmen ausgestalten.
Immer in der Richtung auf den Beobachtungsbaum auf dem
Bauche langsam vorkriechend, wird mir durch „Weitersagen" ge¬
meldet, daß „Nr. 3 rechts" auf einen Draht gestoßen sei. Ich
schleiche mich zu „Nr. 3 rechts" und fühle einen isolierten Leitungs¬
draht im Grase gespannt liegend. Diese Wahrnehmung macht mich
stutzig und sofort schießt mir der Gedanke durch meinen Ropf, ob
dieser Draht nicht etwa mit dem Beobachtungsbaume in Verbin¬
dung stehen könnte. Ich gab „Nr. 3 rechts" Befehl, liegen zu
bleiben, bis er weitere Weisungen erhalten werde und begab mich
wieder in die Mitte der Patrouille und bespreche mich mit meinen
zwei alten Landstürmlern, die mit „Nr. \ rechts" und „Nr. \ links"
bezeichnet waren, vorerst sicherte ich aber meine Patrouille, in¬
dem ich auf {0 Sdivitte „Nr. 2 links" und „Nr. 2 rechts" vor¬
schleichen ließ, so gewissermaßen Horchposten bildend.
Wir waren einig, feststellen zu müssen, von wo dieser Leitungs¬
draht ausgehe und wohin er führe.
„Nr. 3 links" erhielt nun durch Weitersagen den Befehl, etwa
\0 m entlang dem Leitungsdraht zu kriechen und auszukundschaften,
in welcher Richtung der Leitungsdraht seinen Lauf nehme. „Nr. 3
rechts" erhielt gleichen Befehl, aber auf längere Entfernung, weil
ich nicht wahrnehmen konnte, wie tief sich der schüttere Wald, indem
wir uns befanden, erstrecke. „Nr. 3 links" kam schon nach kurzer
Zeit zurück mit der Meldung, daß der aufgefundene Leitungsdtmht
in der Richtung des Beobachtungsbaumes laufe.
„Nr. 3 rechts" blieb längere Zeit aus und brachte mir die
Meldung, daß er in sumpfiges Terrain gekommen sei, dasselbe
umschlichen habe, um sodann die durch den Sumpf verlassene Spur
des Leitungsdrahtes wieder aufzunehmen. Schließlich stellte er fest,
daß der Leitungsdraht bis nahe an das entgegengesetzte Ende des
Waldes reiche, wo er an einem niederen Holzpflock int Erd¬
boden ende.
Ich wußte nun, woran ich war, wußte aber auch, daß sich
nicht weit von unserem augenblicklichen Standplatz die russischen
Artilleriestellungen befanden, deshalb hieß es vorsichtig sein und
kaltes Blut zu bewahren. Ich und meine Begleiter hatten keine
Lust, von den Russen abgefangen zu werden.
Durch die mir gewordenen Meldungen war ich in meiner An¬
nahme bestärkt worden, daß ich auf eine feindliche Telephonstation
gestoßen sei, was meinem eigentlichen Unternehmen eine ganz andere
Bedeutung gab. Ich faßte den Entschluß, mich um den Beobach-
Kerchnawe, Im Felde unbesiegt. IN. t3
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