Volltext: Österreich (3; 1923)

Einiges vom wiener Landsturm 
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5 Uhr früh, wurden wir durch das Einschlagen von feindlichen 
Granaten aus dem Schlafe geweckt. 
wir sahen nun, wo wir uns eigentlich befanden, wie unsere 
Stellungen beschaffen waren. Offene Schützengräben, ohne Kopf- 
schutz, für feindliche Flieger glänzend einzusehen; vor den Böschungen 
unserer Stellung der Bug, gegenüber etwa 200 Schritte entfernt, 
knapp am anderen Ufer des Bug, die Gräben der Russen, in denen 
man mit freiem Auge die russischen wacheposten patrouillieren sah. 
Diese Lage schnell erfassend, verbot ich sofort den meinen 
Schwarm angehörenden Schützen jedes neugierige Ausschauen nach 
dem gegenüberliegenden Feind, hatte aber doch nicht verhindern 
können, daß einige der jungen O jährigen Landstürmler ihrer Neu¬ 
gierde halber leichtsinnigerweise ihr Leben lassen mußten. 
Der Grabenabschnitt meines Schwarmes war so seicht gegraben, 
daß ich sofort um gute 60 cm tiefer graben ließ, damit ein gegen¬ 
über meinem Grabenabschnitte auf einem hohen Baume befindlicher 
russischer Beobachtungsposten die Einsicht in den Graben verlor und 
nun keine Möglichkeit mehr hatte, auf unsere Köpfe zu zielen. 
Dieser russische Beobachtungsposten ließ mir keine Ruhe. Ich 
beobachtete ihn unausgesetzt durch meinen Feldstecher und stellte fest, 
daß einmal ein Russe, dann wieder zwei, mit Handfeuerwaffen ver¬ 
sehen, in einem Korbe standen oder knieten. 
Ich machte meinen Kompagniekommandanten auf diesen Be- 
obachtungsposten aufmerksam und bat um Erlaubnis, diesem Be¬ 
obachter ein paar blaue Bohnen aufbrennen zu dürfen, was mir 
aber untersagt wurde. Ich war über dieses verbot nicht sehr er¬ 
freut, mußte mich aber fügen. 
Als ich nun den vorgeschriebenen Wachdienst von meinem 
Schwarm beigestellt hatte, legte ich mich in meinem Grabenteil 
nieder, doch so, daß ich den russischen Beobachter wohl sehen, er 
äber mich nicht bemerken konnte und begann nachzudenken. 
Ich war noch ein Neuling im Felde und war von vielen 
Kameraden aufmerksam gemacht worden, nichts auf eigene Faust 
zu unternehmen, aber dennoch reizte es mich, diesem russischen Kerl 
auf dem Beobachtungsposten auf den Leib zu rücken und ihn un¬ 
schädlich zu machen. 
vorerst legte ich mir die Frage vor: wie kommt dieser russische 
Beobachter überhaupt auf den Baum? Durch hinaufklettern während 
der Nacht? Möglich, aber unwahrscheinlich. Mittelst Strickleiter» 
ginge es auch, aber ich konnte das Vorhandensein einer solchen 
nicht feststellen, schließlich war es möglich, längs des Baumstammes 
ein Seil anzulegen, aber ich verwarf alle diese Kombinationen, gab 
ein weiteres Nachdenken auf' und wartete den Einbruch der Nacht 
ob, ohne noch zu wissen, was ich auszuführen beabsichtigte. 
Mein Schwarm war, mich eingerechnet, 19 ¿Tfamt stark; die 
meisten waren junge Landstürmler und nur vier Mann alte.
	        
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