Einiges vom wiener Landsturm
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5 Uhr früh, wurden wir durch das Einschlagen von feindlichen
Granaten aus dem Schlafe geweckt.
wir sahen nun, wo wir uns eigentlich befanden, wie unsere
Stellungen beschaffen waren. Offene Schützengräben, ohne Kopf-
schutz, für feindliche Flieger glänzend einzusehen; vor den Böschungen
unserer Stellung der Bug, gegenüber etwa 200 Schritte entfernt,
knapp am anderen Ufer des Bug, die Gräben der Russen, in denen
man mit freiem Auge die russischen wacheposten patrouillieren sah.
Diese Lage schnell erfassend, verbot ich sofort den meinen
Schwarm angehörenden Schützen jedes neugierige Ausschauen nach
dem gegenüberliegenden Feind, hatte aber doch nicht verhindern
können, daß einige der jungen O jährigen Landstürmler ihrer Neu¬
gierde halber leichtsinnigerweise ihr Leben lassen mußten.
Der Grabenabschnitt meines Schwarmes war so seicht gegraben,
daß ich sofort um gute 60 cm tiefer graben ließ, damit ein gegen¬
über meinem Grabenabschnitte auf einem hohen Baume befindlicher
russischer Beobachtungsposten die Einsicht in den Graben verlor und
nun keine Möglichkeit mehr hatte, auf unsere Köpfe zu zielen.
Dieser russische Beobachtungsposten ließ mir keine Ruhe. Ich
beobachtete ihn unausgesetzt durch meinen Feldstecher und stellte fest,
daß einmal ein Russe, dann wieder zwei, mit Handfeuerwaffen ver¬
sehen, in einem Korbe standen oder knieten.
Ich machte meinen Kompagniekommandanten auf diesen Be-
obachtungsposten aufmerksam und bat um Erlaubnis, diesem Be¬
obachter ein paar blaue Bohnen aufbrennen zu dürfen, was mir
aber untersagt wurde. Ich war über dieses verbot nicht sehr er¬
freut, mußte mich aber fügen.
Als ich nun den vorgeschriebenen Wachdienst von meinem
Schwarm beigestellt hatte, legte ich mich in meinem Grabenteil
nieder, doch so, daß ich den russischen Beobachter wohl sehen, er
äber mich nicht bemerken konnte und begann nachzudenken.
Ich war noch ein Neuling im Felde und war von vielen
Kameraden aufmerksam gemacht worden, nichts auf eigene Faust
zu unternehmen, aber dennoch reizte es mich, diesem russischen Kerl
auf dem Beobachtungsposten auf den Leib zu rücken und ihn un¬
schädlich zu machen.
vorerst legte ich mir die Frage vor: wie kommt dieser russische
Beobachter überhaupt auf den Baum? Durch hinaufklettern während
der Nacht? Möglich, aber unwahrscheinlich. Mittelst Strickleiter»
ginge es auch, aber ich konnte das Vorhandensein einer solchen
nicht feststellen, schließlich war es möglich, längs des Baumstammes
ein Seil anzulegen, aber ich verwarf alle diese Kombinationen, gab
ein weiteres Nachdenken auf' und wartete den Einbruch der Nacht
ob, ohne noch zu wissen, was ich auszuführen beabsichtigte.
Mein Schwarm war, mich eingerechnet, 19 ¿Tfamt stark; die
meisten waren junge Landstürmler und nur vier Mann alte.