188
Staust v. d. March
Demgegenüber vergehen andere Tage vollständig als Idyll in
Sonnenglast, mit Vogelgesang, Fliegengesumm und Pummelbrummen,
erfüllt von parzduft und dem Ausatmen unserer bescheidenen Blumen.
An andern Tagen hinwieder unterhält sich unsere Artillerie mit der
des Feindes in mehr oder minder grober Weise. Daneben ruht
die Arbeit keineswegs. Immer wird an den Stellungen verbessert,
die Drahthindernisse verstärkt, das Vorfeld gelichtet, neue Stel¬
lungen gebaut, Verbindungsgräben ausgehoben, die alten cher-
gerichtet, ebenso die Unterkünfte usw. Dazwischen gibt's Fassungen
zu holen: Lebensmittel, Baubedarf aller Art. Des Trinkwassers
nicht zu vergessen, denn wir leben in einer sehr wasserarmen Gegend.
Der gegen 2000 m hohe Berg hat nur zwei (Quellen, die eine
aber ist viel zu weit von uns entfernt, um benützt werden zu
können, die andere gibt nur spärlich Wasser, überdies nicht trinkbar,
sondern nur zum Waschen verwendbar. So müssen wir denn aus
dem Tale versorgt werden und die Wasserfässer von der Drahtseil¬
bahn abholen. Auch polz gilt es herbeizuschaffen, sei's zum Rochen
und peizen, sei's zum Bauen.
Unter solchen Beschäftigungen wird es Abend. Purpurn be¬
ginnen die Alpen zu erglühen und über den dunkelbläulichen Wäl¬
dern der gegenüberliegenden Berge liegt ein Schleier aus feinem,
rosafarbenem Gespinst, von den Päuptern aber der Urriesen,
die Jahrtausende an sich vorüberziehen sahen, erstrahlt in wunder¬
hehrem Glanze gleichsam als Rronreif der Winterschnee. Die Sonne
versinkt, die Farben verlöschen und die Welt verstummt, bis auf
den wildbach, der weit unten rauschend ins Tal hinunterstürmt.
Pin und wieder unterbrechen Anrufe von Posten das versonnene
Schweigen der Nacht. Am samtblauen, von Sternen durchstickten
Pimmel zieht der Mond herauf und übergießt mit magischem Nebel¬
glanz die Landschaft und irgendwo aus der Ferne ertönen die Klänge
einer Mundharmonika:
In der Heimat, in der Heimat
Da ist es wunder-wunderschön.
wie schön und herrlich ist dann dieses Stück Gotteswelt! Be¬
greiflich, daß die welsche Gier die pände danach reckt.
Das ist des Landstürmers Rriegssommer in den Alpen. Schöne
Bilder voll Erhabenheit und Größe wechseln ab mit schreckhaften,
erfüllt von Grausen und Wunden und Tod — aber der Land¬
sturmmann läßt sie an sich vorüberziehen, seine Pflicht, die ihm
des Vaterlandes Not auferlegt hat, mit Treue und Pingabe tuend.
Denn er weiß, um was es geht. Und so hält er im Sonnenglast
wie im tiefen Dunkel, ob die Natur Friede atmet oder entfesselt
tobt, die Alpenwacht, ergeben in einen höheren willen —
’s ist ja kein Kampf für die Güter der Erde,
Das Heiligste schützen wir mit dem Schwerte,
Drum fallend und siegend preis ich Dich.
Gott, Dir ergeb' ich mich.