Volltext: Österreich (3; 1923)

placa 1915 
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mau deutlich das scharfe Klinken der Drahtscheere, trotz der tiefen 
Dämmerung sieht man einige dunkle Schatten sich zum Drahtgewirr 
vorschleichen. Zwei, drei Schüsse fallen, die schattengleichen Ge¬ 
stalten stürzen zusammen und wie früher herrscht wieder tiefste Ruhe 
zwischen den beiden feindlichen Stellungen. Weitere Versuche des 
Gegners, die letzten Reste des Drahthindernisses zu zerstören, bleiben 
ebenso ergebnislos, bis er sie mit Eintritt des vollen Tageslichtes 
überhaupt aufgibt. Den Eindruck hat aber der Kommandant der 
jO. Kompagnie gewonnen und gibt ihn auch telephonisch weiter: 
Der Feind bereitet einen neuerlichen Angriff vor. 
Im übrigen verliefen die Tagesstunden des 28. Juni Ichj an 
dieser Stelle der Isonzofront ereignislos. Gewehrmunition und 
Handgranaten wie auch Leuchtraketen für den Fall eines Nacht¬ 
angriffes waren zur Genüge vorhanden, Konserven und etwas 
kalten Kaffee hatte jeder Mann bei sich. Mochte der Feind nur 
kommen, er würde zurückgewiesen werden. Dieser Gedanke war 
aber nicht nur im Kerzen des Kommandanten der 10. Kompagnie, 
eines jungen fjauptmannes, lebendig, er war es auch in allen Bos¬ 
niern, die mit ihm die kritische Stellung besetzt hielten. Als der 
erstere, die Vermutung eines feindlichen Nachtangriffes den Nächst¬ 
liegenden mit der Weisung mitteilte, die Warnung weiterzugeben, 
konnte er zu seiner Genugtuung die auf bosnisch gemachte Be¬ 
merkung hören: „Mögen sie nur kommen!" 
Auch die Nachmittagsstunden verliefen ereignislos. Die italie¬ 
nische Artillerie hatte das Feuer gegen diesen Abschnitt eingestellt, 
seit sich ihre Infanterie am oberen Ende der Wasserrinne festgesetzt 
hatte, während die österreich-ungarische, vom Kuk aus beobachtend, 
das Feuer ohne jede Gefährdung der eigenen Infanterie noch fort¬ 
setzen konnte. Dafür wird in den späten Nachmittagsstunden das 
Gewehrfeuer wieder lebhafter. Offenbar wollen die Italiener für 
die nächste Zeit einen Sturm vorbereiten. Dafür spricht vor allem 
das wiederholte Einsetzen italienischer Reserven, das, immer wieder 
bemerkt, Anlaß zum verstärken des Feuers gibt, das der Feind, 
allerdings fast resultatlos, lebhaft erwidert. Mit Beginn der Däm¬ 
merung beginnt ein leichter Regen zu fallen. Fröstelnd hängt sich 
der bsauptmann einen zerrissenen, am Boden liegenden Munitions- 
zutragsack um die Schultern, um sich gegen den kalten Wind zu 
schützen, der plötzlich über die noch von der Sonne durchglühten 
Felsen dahinstreicht. Gleichzeitig gibt er den von Mann zu Mann 
weiterzugebenden Befehl, das Feuer einzustellen und jetzt in der 
Dämmerung nur dann zu schießen, wenn es befohlen wird oder 
wenn der Feind an die Drähte kommt. Das feindliche Feuer geht 
inzwischen mit unverminderter Heftigkeit weiter. 
Da fühlt sich der Hauptmann plötzlich leicht am Ellbogen be¬ 
rührt. Sich umblickend, sieht er den Kompagniehornisten Tomasevic, 
der ihm mit Hilfe einer Stange seinen Wetterkragen zuschiebt. Auf
	        
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