Volltext: Das Kriegsjahr 1918 ; 7. Das Kriegsjahr 1918 ; [Textbd.] ; (7. Das Kriegsjahr 1918 ; [Textbd.] ;)

Not an Nahrungsmitteln und Kohle im Hinterland 
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Ina er politisch e Gärung und Wirtschaftskrise in 
Österreich-Ungarn 
In der Donaumonarchie hatte indessen der politische und wirt¬ 
schaftliche Verfall immer ärgere Formen angenommen. In den Ländern 
der Wenzelskrone wurde fast schon unbekümmert um Wien auf die Er¬ 
richtung eines tschechischen Staatswesens hingearbeitet. Galicien, das seit 
jeher eine Sonderstellung besessen hatte, blickte nach Warschau. Beson¬ 
ders schlecht war es in Österreich um die Verpflegung der Industrie¬ 
gegenden in den deutschen Randgebieten der Sudetenländer und in den 
Alpen sowie um die Versorgung von Wien und anderer Städte bestellt. 
Nahrungsmittel waren manchenorts nur mehr auf ein bis zwei Wochen 
gesichert1). Die an Bodenfrüchten reicheren Länder, wie Galicien und 
Böhmen, sperrten sich immer mehr ab; gegenüber der schon stark den 
nationalen Ideen verfallenen Beamtenschaft, sowohl der Behörden wie 
der Bahnen, vermochte sich die zentrale Staatsgewalt aus Wien immer 
weniger durchzusetzen2). Zuschüsse aus Ungarn, das hauptsächlich das 
Feldheer zu versorgen hatte, waren bei der Stimmung, die jenseits der 
Leitha gegen den Schwester Staat platzgriff, immer schwieriger zu erlan¬ 
gen 3). Auf wirksame Aushilfen aus der Ukraine oder Rumänien war 
kaum mehr zu zählen, da mit der baldigen Räumung dieser Gebiete ge¬ 
rechnet werden mußte. 
In ¡allen Industriezweigen hemmten häufig aufflammende Ausstände 
die Arbeit, soweit dieser nicht schon die Knappheit an Roh- und Be- 
triebstoffen, vor allem ¡an Kohlen, genug fühlbaren Abbruch tat. Kohlen¬ 
mangel und der überaus abgenutzte Fahrpark der Bahnen nötigten zu 
starken Verkehrsdrosselungen. Lebenswichtige Güter konnten sehr oft 
von den Lagerplätzen nicht abbefördert und den darbenden Verbrau¬ 
chern nicht zugeführt werden. Gegen den Schleich- und Kettenhandel, 
der sich aller ¡amtlich bewirtschafteten Waren bemächtigte, kamen die 
Behörden in keiner Weise auf; sie waren aber auch nicht imstande, die 
vorgeschriebenen, ohnehin unzulänglichen Verbrauchsmengen regelmäßig 
zur Verteilung zu bringen. Der Großteil der Bevölkerung mußte sich mit 
Selbsthilfen durchfristen, die geltende Gesetze umgingen und das mora- 
*) A r z, Zur Geschichte des großen Krieges, 311. 
2) Glaise-Horstenau, Die Katastrophe, 292 ff. 
3) Landwehr, 250 ff.
	        
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