Not an Nahrungsmitteln und Kohle im Hinterland 555 Ina er politisch e Gärung und Wirtschaftskrise in Österreich-Ungarn In der Donaumonarchie hatte indessen der politische und wirt¬ schaftliche Verfall immer ärgere Formen angenommen. In den Ländern der Wenzelskrone wurde fast schon unbekümmert um Wien auf die Er¬ richtung eines tschechischen Staatswesens hingearbeitet. Galicien, das seit jeher eine Sonderstellung besessen hatte, blickte nach Warschau. Beson¬ ders schlecht war es in Österreich um die Verpflegung der Industrie¬ gegenden in den deutschen Randgebieten der Sudetenländer und in den Alpen sowie um die Versorgung von Wien und anderer Städte bestellt. Nahrungsmittel waren manchenorts nur mehr auf ein bis zwei Wochen gesichert1). Die an Bodenfrüchten reicheren Länder, wie Galicien und Böhmen, sperrten sich immer mehr ab; gegenüber der schon stark den nationalen Ideen verfallenen Beamtenschaft, sowohl der Behörden wie der Bahnen, vermochte sich die zentrale Staatsgewalt aus Wien immer weniger durchzusetzen2). Zuschüsse aus Ungarn, das hauptsächlich das Feldheer zu versorgen hatte, waren bei der Stimmung, die jenseits der Leitha gegen den Schwester Staat platzgriff, immer schwieriger zu erlan¬ gen 3). Auf wirksame Aushilfen aus der Ukraine oder Rumänien war kaum mehr zu zählen, da mit der baldigen Räumung dieser Gebiete ge¬ rechnet werden mußte. In ¡allen Industriezweigen hemmten häufig aufflammende Ausstände die Arbeit, soweit dieser nicht schon die Knappheit an Roh- und Be- triebstoffen, vor allem ¡an Kohlen, genug fühlbaren Abbruch tat. Kohlen¬ mangel und der überaus abgenutzte Fahrpark der Bahnen nötigten zu starken Verkehrsdrosselungen. Lebenswichtige Güter konnten sehr oft von den Lagerplätzen nicht abbefördert und den darbenden Verbrau¬ chern nicht zugeführt werden. Gegen den Schleich- und Kettenhandel, der sich aller ¡amtlich bewirtschafteten Waren bemächtigte, kamen die Behörden in keiner Weise auf; sie waren aber auch nicht imstande, die vorgeschriebenen, ohnehin unzulänglichen Verbrauchsmengen regelmäßig zur Verteilung zu bringen. Der Großteil der Bevölkerung mußte sich mit Selbsthilfen durchfristen, die geltende Gesetze umgingen und das mora- *) A r z, Zur Geschichte des großen Krieges, 311. 2) Glaise-Horstenau, Die Katastrophe, 292 ff. 3) Landwehr, 250 ff.