Die Beschlüsse von Mohilew
13
Zur weiteren Entschlußfassung traten Ende Dezember im Haupt¬
quartier zu Mohilew der Zar und Gen. Gurko mit den Befehlshabern
der drei russischen Fronten zusammen; hiebe i ergaben sich wesentliche
Meinungsverschiedenheiten. Die Befehlshaber der Nord- und der West¬
front, die Generale Rußki und Ewert, trugen, im Gegensatz zu ihrem
Verhalten im Jahre 1916, viel Tatenfreudigkeit zur Schau. Sie forderten,
daß die entscheidenden Kriegshandlungen nördlich vom Polesie zu
führen seien. Rußki wünschte von Riga aus nach Süden vorzustoßen.
Ewert glaubte mit einem von Smorgon auf Wilna geführten Haupt¬
angriff der Sache am besten nützen zu können. An der Südwestfront
wollte Brussilow auf dem kürzesten Wege gegen Lemberg angreifen1).
Verfolgte somit jeder Frontkommandant seine Sonderziele, so waren
sie sich doch darin einig, daß die Offensive nicht vor Ende April oder
Anfang Mai beginnen könne. Für den gleichen Zeitpunkt nahm man
auch die Verstärkung der rumänischen Front durch etwa 20 Divisionen
in Aussicht, da man hoffte, die hiezu nötigen Bahnausgestaltungen bis
dahin beendet zu haben.
Anders die Stawka; Zar und Stabschef waren zunächst gewillt, im
Sinne der Beschlüsse von Chantilly noch im Winter an der rumänischen
Front den Angriff gegen Bulgarien losbrechen zu lassen, der eben
weitere Kräfte zurollten. Da die Frontkommandanten dagegen Einspra¬
che erhoben, einigte man sich schließlich zu einem Mittelding. Kam der
Angriff der Westmächte tatsächlich im Februar zustande, so wollte man
bei jeder Heeresfront den Gegner durch Unternehmungen fesseln, die
Hauptangriffe, insbesondere gegen Bulgarien, aber auf das Frühjahr
verschieben. Bis dahin hoffte man auch in der Beschaffung des Kriegs¬
gerätes um einen großen Schritt vorwärtsgekommen zu sein und die im
Gange befindliche Heeresvermehrung durchgeführt zu haben2).
Die Beschlüsse von Mohilew blieben nicht unwidersprochen. Sowohl
der sich wieder seiner ursprünglichen Ansicht besinnende Gen. Ewert
wie der in der Krim zur Erholung weilende Gen. Alexe je w trugen Be¬
denken gegen eine Verwendung der Masse des Zarenheeres in Rumä¬
nien, weil sich Deutschland dann auf die von Reserven entblößte rus¬
sische Front werfen konnte. Nach der Meinung Alexejews war der
Hauptangriff auf Lemberg und auf Máramaros-Sziget zu führen, indes
sich die Nordfront, die anfangs Jänner bei Riga eben einen vereinzelten
1) Mémoires du Général Brous s ilo v. Guerre 1914—1918 (In französischer
Sprache, Paris 1920), 240.
2) Gurko, 172.