Volltext: Das Kriegsjahr 1917 ; 6. Das Kriegsjahr 1917 ; [Textbd.] ; (6. Das Kriegsjahr 1917 ; [Textbd.] ;)

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Winter und Frühjahrsanfang 1917 
schlagartigen Angriff durchführen zu lassen. Doch diesem Plane stand 
die Unzulänglichkeit der verfügbaren Kräfte ebenso entgegen wie die 
Abneigung des Reichskanzlers gegen jedwede Reizung der Russen. Zur 
selben Zeit lagen allerdings auch keine Anzeichen für einen bevor¬ 
stehenden russischen Ansturm vor. Aber es mußten noch immer 43 öst.- 
ung., rund 80 deutsche, 3 bulgarische und 5 türkische Divisionen im 
Osten belassen werden, damit man gegen alle Fälle gerüstet war. Die 
DOHL. und die k. u. k. Heeresleitung organisierten noch im Monat April 
bei den Heeresgruppen Prinz Leopold von Bayern, Erzherzog Joseph 
und Mackensen eine einheitliche Friedenspropaganda. Sie sollte, von 
Schützengraben zu Schützengraben arbeitend, die innere Zersetzung des 
russischen Heeres vollenden1). 
Österreichische, ungarische und deutsche Zeitungen, Flugblätter 
und Aufrufe wurden nun den Russen übermittelt, um sie zu Waffenstill¬ 
standsverhandlungen bereit zumachen. Diese Propaganda von Schützen¬ 
graben zu Schützengraben verfehlte jedoch im allgemeinen ihren Zweck. 
Wohl wurde es auf der ganzen Front von Riga bis zum Schwarzen 
Meere allmählich friedlicher, und während der russischen Ostern um 
die Mitte des Monats April ruhten die Feindseligkeiten fast völlig. Rus¬ 
sische Soldatenabordnungen besuchten unsere Gräben. Dies gab unserem 
Nachrichtendienst die willkommene Gelegenheit, die Evidenz über die 
gegenüberstehenden feindlichen Truppen zu überprüfen und richtig¬ 
zustellen. Es fehlte aber auch nicht an Verbrüderungsversuchen, die 
allerdings von unseren Befehlsstellen mit großer Strenge verboten wur¬ 
den, um ein Übergreifen der revolutionären Ideen auf die k. u. k. Trup¬ 
pen zu verhindern2). Dieser höchst eigenartige Zustand, halb Krieg, 
halb Waffenstillstand, löste überhaupt bei den niederen Kommandos 
ein Gefühl der Unklarheit und der Unsicherheit aus, namentlich bei 
solchen mit Truppen slawischer Nationalität. Doch trotz aller geäußer¬ 
ten Bedenken bestand man höheren Ortes auf der Fortsetzung der 
Frontpropaganda. 
So entspannen sich an verschiedenen Stellen von Dolmetschern ge¬ 
führte Gespräche. Es wurde den Russen eröffnet, wenn sie Verhandlun¬ 
gen zu pflegen wünschten, sollten sie Parlamentäre entsenden. Aber es 
1) Arz, 151 f. 
2) Ebenso wie Kaiser Karl (vgl. Werkmann, Deutschland als Verbündeter, 
109 f.) hatte auch Gdl. Ludendorff wegen der etwaigen Rückwirkung auf die eigenen 
Truppen gegen die Frontpropaganda anfangs ernste Bedenken (Mitteilung an den 
damaligen Gstbshptm. v. Glaise).
	        
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