Volltext: Von der Einnahme von Brest-Litowsk bis zur Jahreswende 3 : Das Kriegsjahr 1915 2 [Textbd.] (3 : Das Kriegsjahr 1915 ; 2 ; [Textbd.] ;)

Getrennte Wege für das Jahr 1916 
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hayn, sosehr er seit geraumer Zeit nur mehr mit halbem Herzen zum 
Balkanfeldzug stand, die Berechtigung der Pläne Conrads nicht grund¬ 
sätzlich in Abrede zu stellen; er mußte zubilligen, daß sie auch den 
Bedürfnissen der Heeresgruppe Mackensen gerecht wurden. Um so 
schwerer ist es zu verstehen, warum er trotzdem fortdauernd zögerte, 
seine uneingeschränkte Zustimmung zu geben, und sogar vorübergehend 
mit dem Vorschlag herausrückte, Conrad möge gegebenenfalls, um für 
Abwehrzwecke an der russischen Front ein paar Divisionen zuverlässig 
freimachen zu können, auf das montenegrinische Unternehmen ganz 
verzichten. 
Bei den seit längerem schon recht gespannten persönlichen Be¬ 
ziehungen der beiden Männer war es nicht zu verwundern, daß Conrad 
Verdacht schöpfte, Falkenhayn wolle durch ein hinhaltendes Verfahren 
den Angriff gegen Montenegro unmöglich machen. Zudem begann die 
Zeit zu drängen. Bis zum Frühjahr war es nur mehr drei oder vier 
Monate hin, und der Krieg machte Anstalten, aus den Tälern und Fels¬ 
wüsten des Balkans wieder auf einen der Hauptschauplätze zurück¬ 
zukehren. Selbstverständlich mußte dann von allen Fronten, an denen 
nicht die Entscheidung lag, jeder irgendwie entbehrliche Mann abberufen 
werden. Dies galt auch für die öst.-ung. Streitkräfte auf dem Balkan, 
denen vorher noch die Eroberung Montenegros und Albaniens zugedacht 
war. Die Frist, die der Ausführung dieses Unternehmens gesetzt war, 
schien also schon recht kurz bemessen. Ein weiteres Versäumnis von auch 
nur ein paar Tagen konnte es ganz in Frage stellen. 
In dieser Bedrängnis entschloß sich Conrad, den gordischen Knoten 
kurzerhand zu durchhauen. Er trennte die Armee Kövess, deren Truppen 
er für die Eroberung Montenegros benötigte, von der Heeresgruppe 
Mackensen los und riß damit das uneingeschränkte Verfügungsrecht über 
diese Kräfte an sich. Daß der bevorstehende Feldzug auf solche Weise 
ein ausschließlich öst.-ung. Unternehmen wurde, konnte zugleich der 
ohnehin stark gesunkenen Geltung des Habsburgerreiches bei den Balkan¬ 
völkern nützen. 
Wie sich Falkenhayn in Wirklichkeit zu den Balkanplänen Conrads 
gestellt haben mochte, ist aus den vorhandenen Akten kaum zuverlässig 
zu erkennen. Sicherlich stand er dem auch aus dem Schriftenwechsel über 
eine Offensive gegen Italien erkennbaren Streben Conrads, den überragen¬ 
den Einfluß der DOHL. auf die Gesamtkriegführung etwas abzuschütteln, 
grundsätzlich mißtrauisch und abgeneigt gegenüber. Seine eigenen Ent¬ 
schlüsse für 1916 lagen damals schon ziemlich fest. Deutschland sollte
	        
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