Die Denkschrift Conrads vom 13. Mai
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Die Entschlüsse bei Freund und Feind vor der
Kriegserklärung Italiens
Angriffspläne der Mittelmächte gegen Italien und
Serbien
Unterdessen war für die obersten Führer der verbündeten Mittel¬
mächte die große Kriegslage wegen der Haltung Italiens zu höchster
Spannung gediehen. Den Hiobsposten der ersten Maiwoche waren um
den 10. weitere überaus ernste Nachrichten gefolgt. Unter ihrem Ein¬
druck genehmigte Kaiser Franz Joseph am 11. die von der Heeresleitung
vorgeschlagene uneingeschränkte Ausrüstung aller Befestigungen an der
italienischen Grenze und die Überführung der 57. ID. aus Syrmien zur
Verstärkung der Deckungstruppen an den Isonzo, wo die Division zwi¬
schen dem 15. und 21. Mai ausgeladen wurde.
Am 11. Mai unterbreitete der Armeeoberkommandant FM. Erz¬
herzog Friedrich dem Herrscher schriftlich den ersten Entwurf eines
Aufmarsches gegen Italien und der damit zusammenhängenden Stellen¬
besetzungen. Die Auffassungen, die in diesem Augenblicke für die Heeres¬
leitung maßgebend waren, sind einer achtundvierzig Stunden später vom
Chef des Generalstabes verfaßten, für Falkenhayn, Burián und die
kaiserliche Militärkanzlei bestimmten Denkschrift zu entnehmen, die von
zwei Möglichkeiten ausging : von der schon sehr unwahrscheinlichen, daß
Italiens Neutralität noch in zwölfter Stunde erkauft werden könne, und
von der viel näher liegenden, daß der frühere Dreibundgenosse end¬
gültig in die Front der Feinde einrücke.
Für den ersten Fall forderte Conrad vor allem „die energische ge¬
meinsame Fortführung des Krieges gegen Rußland ... mit dem Mindest¬
ziel der Wiedergewinnung des Gebietes der Monarchie und des als Kom¬
pensation für unsere [Österreich-Ungarns] Gebietsabtretungen an Italien
uns zu überlassenden Gebietes Russisch-Polens am linken Weichselufer1)".
War die Erreichung dieses Kriegszieles einigermaßen verbürgt, dann
sollten Serbien und Montenegro durch die Mittelmächte im Verein mit
*•) In einem vom 15. datierten Schreiben vertrat Conrad gegenüber dem Minister
des Äußeren auch noch einmal die Auffassung, daß bei einer Abtretung österreichi¬
schen Gebietes an Italien das Deutsche Reich zu verhalten wäre, die Donaumonarchie
-durch die Grafschaft Glatz und einen Grenzstreifen in Schlesien zu entschädigen.
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