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Die Lage um die Jahreswende 1914/15
Radiohorchdienst hatte noch den besonders großen Vorteil, daß er der
Führung erlaubte, wichtige Maßnahmen des Feindes zu durchkreuzen,
ehe diese überhaupt in die Tat umgesetzt waren. Das machte sich bei
wachsender Übermacht besonders bezahlt.
Als Mittel zur gegenseitigen Verständigung und zur Weitergabe von
Befehlen bedienten sich die höheren Stäbe fast ausschließlich des Drahtes
und da wieder weniger des Fernsprechers als des Fernschreibers1), der
bald auch zum Besitzstand mancher Korpskmdos. gehören sollte. Daneben
kam natürlich der Kraftwagen zur Geltung, indes der überall noch ein¬
geteilte „reitende Ordonnanzoffizier" nur mehr im Bereiche der Division
verwendet wurde. Auch auf dem Kampffelde gewann das Telephon dank
der aufopfernden Tätigkeit der Feldtelephonisten größte Bedeutung.
Heeresbewegung und Heeresversorgung spielten sich im Norden wie
im Süden unter äußerst schwierigen Wegverhältnissen ab. In Galizien
triumphierte der kleine Wagen, in Bosnien und Serbien auch das Trag¬
tier bedingungslos über die schweren Fuhrwerke und Pferde. Dabei waren
infolge der hohen Anforderungen und der unsäglichen Strapazen die
Verluste an Pferden in diesem Dienste außergewöhnlich groß. Auch das
Lastenauto, ja vorübergehend selbst der Personenkraftwagen fanden auf
den durchweichten Straßen wenig Verwendungsmöglichkeit.
Als es notwendig wurde, die 2. Armee aus den Karpathen nach
Preußisch-Schlesien zu verlegen, wurden zum ersten Male Heereskörper
von Armeestärke mit Bahn von einem Schlachtfeld auf das andere geworfen.
Trotz des Mangels an jeglicher Erfahrung wurde der Transport mit neu¬
eingeführten rascheren Militärzügen aus den Karpathen im weiten Bogen
fast durch die Reichsmitte gut bewältigt. Truppentransporte, zur Umfas¬
sung des Feindes auf wiederhergestellten Bahnen bis in den Kampfraum
vorgebracht, gingen der Schlacht von Limanowa-Lapanów voraus; sie
sollten in ungleich größerem Maßstab wiederholt werden, als sich zu
Beginn 1915 die Kämpfe in die Karpathen zogen. Mit Staunen und Befrie¬
digung zugleich sah die Bevölkerung der beiden Reichshauptstädte Wien
und Budapest dabei auch deutsche Hel¿ie in Massen vorüberfahren.
Die besondere Bedeutung der Bahnen für den Nachschub kam im
Südosten tragisch zum Ausdruck, als Potiorek mit seinen erschöpften,
ausgehungerten, gelichteten Divisionen in die Falle von Arangjelovac
hineinstieß, um sich des Besitzes der für die Heeresversorgung unentbehr¬
lichen Kleinbahn im Kolubaratal zu versichern. Begreiflicherweise stellte
auch der Abschub der Kranken und Verwundeten die Eisenbahnen und
1) Vgl. Bd. I, 443, Fußnote.