Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band I (I. / 1937)

Das nach Norden gerichtete Ausdehnungsbedürfnis der deutschen 9. Armee 
löste den Wunsch Hindenburgs nach Überführung öst.-ung. Streitkräfte auf das 
Nordufer des Weichfelstromes aus. Conrad sagte den Aufmarsch von zunächst fünf 
Infanteriedivisionen und zwei Kavalleriedivisionen der k. u. k. 1. Armee an der 
unteren Nida bis 30. September, dem Beginne der Offensivbewegung der deutschen 
9. Armee, zu. Zudem war Conrad entschlossen, im Einklänge mit dem Vorgehen 
nördlich der Weichsel, die öst.-ung. Armeen auch auf dem südlichen Weichselufer 
antreten zu lassen. Auch er gedachte, nicht mehr den russischen Angriff abzuwarten, 
sondern den Russen noch im westlichen Sanlande zu fassen. 
Zwei entscheidende Fragen beherrschten wohl die Lage: wird Hindenburg, ohne 
aus überragende Feindkräfte zu stoßen, an den Weichselstrom gelangen? Wird 
es — im Gegensatze hiezu — unseren Armeen in Galizien glücken, stärkere Russen¬ 
kräfte noch diesseits des San zu stellen? 
Die Nordhälfte der k. u. k. 1. Armee — leider nicht die ganze — war schon am 
30. September zum Vormärsche angewiesen worden. Im Vereine mit den Kräften 
des Bundesgenossen sollte dieser Sturmbock in breiter Front an die Weichsel 
vorstoßen, etwaige russische Kräfte diesseits des Flusses über den Haufen rennen 
und den Russen jedweden Übergang über den Strom verwehren. 
Die in Galizien harrenden k. u. k. Armeen hatten nach der am 1. Oktober 
vom AOK. ergehenden Weisung den Angriff zunächst an den Sanfluß vorzutragen, 
die unterdessen von den Russen zernierte Sanfeste zu entsetzen und sodann, über 
den San vorstoßend, den Feind möglichst kräftig von Süden her aus dem 
Karpathenvorlande anzupacken, bzw. auszurollen. 
Somit standen für die Operationen nördlich der Weichsel samt den deutschen 
Kräften rund 17 Infanterie- und 3 Kavalleriedivisionen, für jene südlich des 
Stromes 36 Infanterie- und 9 Kavalleriedivisionen nebst 9 Landsturmbrigaden 
zur Verfügung. Das bisher bestandene Mißverhältnis zwischen Infanterie und 
Artillerie, das bis nun sich so fühlbar gemacht hatte, war nicht geschwunden. Abge¬ 
sehen vom Mangel an Geschützrohren, vermochten nicht einmal die Munitions¬ 
bestände auf die vorgeschriebene Höhe gebracht zu werden. 
Der Vormarsch sollte vom Nordflügel aus einsetzen. Die nördlich der Weichsel 
stehenden Teile der Armee Dank! hatten am 1. Oktober über die Nida vorzugehen, 
jene südlich der Weichsel haltenden Kräfte dieser Armee aber erst am 3. Oktober 
auszutreten. Die 4. und 3. Armee hatten die Vorrückung am 4. Oktober in der 
allgemeinen Richtung Rzeszow und Krosno, die 2. Armee am 6. Oktober gegen 
den Raum südlich von Przemysl aufzunehmen. 
So zog man neuen, Entscheidung suchenden Schlachten entgegen! Durch ihr bisher ver¬ 
gebliches Mühen schwer enttäuscht und jeder kriegerischen Poesie beraubt, waren Österreich- 
Ungarns Krieger, treu der Pflicht gehorchend, willig dem bereits am 1. Oktober ergangenen 
Rufe ihres Führers zum alsbaldigen neuerlichen Vorgehen in das soeben mit so unsäglichen 
Mühen durchschrittene Gelände gefolgt. Daß ihr Schwung sich von jenem der siegestrunkenen 
reichsdeutschen Kameraden, die nun in gehobenster Stimmung herangefahren worden waren, 
um an ihrer Seite gewohnt frohen Mutes neuen kriegerischen Taten entgegenzueilen, doch 
einigermaßen unterscheiden mußte, ist gerechterweise nicht wunderzunehmen. Auch handelte es 
sich jetzt nicht um ein „gemeinsames Handeln", bei dem der eine den anderen leichter mitzu¬ 
reißen imstande ist, sondern um eine „Parallelaktion" zweier Heere, in der jedes getrennt 
vom andern sein Ziel zu verfolgen hatte. Der Mangel einer einheitlichen Leitung mußte sich 
schließlich mit Rücksicht auf die Ungleichheit des Gespannes immer unliebsamer geltend machen. 
Das k. u. k. Heer gab sich ehrliche Mühe, mit dem deutschen möglichst gleichen Schritt zu 
halten, wiewohl schon der Boden unter seinen Füßen zum großen Teil wesentlich holpriger war 
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