Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

Schlußwort 
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decken. Die Friedensverträge von Versailles und St. Germain waren — 
ganz abgesehen von der Anhaltbarkeit der Voraussetzung — Erzeugnisse 
politischer Leidenschaft und mangelnder wirtschaftlicher Erkenntnisse. Sie 
zerrissen völkische, ökonomische, geographische und natürliche Zusammen- 
hänge und zerstörten den Organismus Mitteleuropas, säten Laß und Mi߬ 
trauen, schwächten die Produktion der ganzen Welt und wurden zu einer 
unerschöpflichen Quelle bedrückender Leiden. 
Als die Deutschen ihre Anterschriften unter diese barbarischen Verträge 
gesetzt hatten, stand das deutsche Volk wehrlos, entrechtet und von der Löhe 
der Macht in den Abgrund der Ohnmacht gestürzt wie zwischen den Wänden 
eines Cannons, die sich nackt, schroff, unersteiglich zu beiden Seiten auftürmen 
und keinen Blick in die Ferne gestatten. Trotzdem wird es darin nicht zugrunde 
gehen, denn auf dem Grunde dieses finstern Verlieses strömt das Herzblut von 
1800 000 Männern/) die Deutschland im Weltkrieg geopfert hat, rinnt der 
Schweiß, fließen die Tränen eines Volkes, das beispiellos gekämpft hat, um 
sich im Ringen um die Zukunft zu behaupten, und dieser Blut-, Schweiß- 
und Tränenstrom wird sich zwischen den steilsten Wänden und durch die 
finstersten Gründe Bahn brechen und einst einer großen, geläuterten 
deutschen Nation den Weg ins Freie weisen. 
Deutschlands Sendung und die Geschichte der deutschen Stämme ist in 
dem großen Kriege, in dem Deutschland unterliegen mußte, weil er herein- 
brach, ehe die politische Reife der Deutschen hinreichte, das Erbe Bismarcks 
nach neuen weltpolitischen Anschauungen zu gestalten, nicht verschüttet worden. 
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* 
Die Zeit wird kommen, da nicht nur die Besiegten, sondern auch die 
Sieger diesen Verträgen fluchen und sie, sei es Stück für Stück, sei es auf einem 
*) Die Verluste im Weltkrieg sind noch nicht ermittelt worden, doch lassen sich 
Angaben tzusammenste llen, die wenigstens einen Überblick gestatten. Die „Studien- 
gesellschast für soziale Folgen des Krieges" in Kopenhagen berechnet den Gesamt¬ 
verlust, entstanden durch blutige Verluste auf dem Schlachtfeld, Epidemien und Ge¬ 
burtenrückgang auf 35 Millionen Menschen, und zwar sind dabei nur die in Europa 
eingetretenen Verluste berücksichtigt. Dazu kämen also noch die in Kleinasien und in 
Afrika entstandenen Abgänge, die sich jeder Berechnung entziehen. Wir schätzen die 
Verluste Frankreichs auf 1 365 000 Mann, die Verluste Englands auf 1 Million, 
die Österreich-Ungarns auf 1 200 000 Mann, die Verluste Italiens auf 600 000, die 
Belgiens auf 120 000, und die Serbiens, Bulgariens und Rumäniens auf je 120 000 
Tote. Die Vereinigten Staaten haben in dem kurzen Feldzug 70 000 Tote liegen 
lassen. In diesen Zahlen sind die Toten der englischen und französischen farbigen 
Truppen nicht enthalten. Der französische Abgeordnete Louis Marin hat einen Be¬ 
richt veröffentlicht, der die Verluste der Armeen im Verhältnis zur BevMerungszahl 
der einzelnen Länder darstellt. Danach hätten verloren Deutschland und Österreich ° 
Ungarn je 1 auf 35 Einwohner, Frankreich 1 auf 27 Einwohner, Italien 1 auf 79 Ein¬ 
wohner, England 1 auf 65 Einwohner (ohne Kolonien), Belgien 1 auf 200 Einwohner. 
Die Verluste an Toten, die das alte Rußland auf den Schlachtfeldern erlitten hat. 
Lassen sich überhaupt nicht schätzen, können aber nicht unter 3 Millionen betragen.
	        
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