Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

Schlußwort 
Wir können die Feder nicht niederlegen, ohne die Frage auszuwerfenr 
Wie war es möglich, solche unvernünftigen Friedensverträge aufzusehen und 
zur Grundlage einer neuen politischen Ordnung zu machen, ohne das Der- 
dommungsurteil der Welt herauszufordern? Die Antwort gibt der 
Vertrag selbst. Am den Frieden von Versailles vor der Geschichte zu recht¬ 
fertigen und denEchem des Rechts und der Gerechtigkeit zu wahren, schrieben 
die Sieger einen Sah hinein, in dem Deutschland der Schuld an diesem 
Kriege geziehen wurde, und um diese Fiktion noch tiefer im Bewußtsein der 
Mitwelt zu verankern, fügte man dem Vertrag eine Bedingung ein, die die 
Lerausgabe der Kriegsschuldigen, in erster Linie Kaiser Wilhelms und der 
sogenannten Kriegsverbrecher, forderte und schloß Deutschland vom Völker¬ 
bund aus?) Diese Bezichtigung bildet das Fundament des Vertrages. Aus 
ihr fußend wurde dem deutschen Volk nicht ein eigentlicher Vertrag ge¬ 
währt, sondern in 414 Artikeln Schuld, Strafe und Sühne zugemessen und 
der Krieg als solcher, der bisher als eine geschichtliche Erscheinung anerkannt 
war und als „ein Akt menschlichen Verkehrs" gegolten hatte, rückwirkend als 
eine strafwürdigeLandlung gekennzeichnet. Kein über den Parteien thronendes 
Gericht fällte diesen Schuldspruch, und die Echuldfrage selbst blieb der Er¬ 
örterung entzogen. Man betrachtete es einfach als e r w i e s e n, daß Deutsch¬ 
land den Krieg gewollt und herbeigeführt habe, machte aus der Legende ein 
Organ der Politik, schloß die eigenen Archive, ging über die geschichtliche 
Entwicklung eines halben Jahrhunderts mit Stillschweigen hinweg und hielt 
sich an die Tatsache, daß Deutschland sich hatte in die Rolle des Angreifers 
manövrieren lassen und im Drange der Stunde über die belgische 
Neutralität hinweggeschritten war. 
Da diese neue politische Lehre von der Strafwürdigkeit kriegerischen 
Handelns dem von den Greueln des Krieges ergriffenen M eltgewissen Genüge 
tat, wurde es den Siegern leicht, den Frieden von Versailles im Augenblick 
des Geschehens vor ihren eigenen Völkern zu rechtfertigen. Aber der geschickt 
drapierte moralische Mantel reichte nicht, die Schwächen der Verträge zu 
^Paragraph 231 des Friedensvertrages von Versailles lautet: 
„Die verbündeten und assoziierten Regierungen erklären und Deutschland er¬ 
kennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten als Llrheber aller Verlasse und 
aller Schäden verantwortlich sind, welche die verbündeten und assoziierten Regie¬ 
rungen und ihre Angehörigen infolge des ihnen durch den Angriff Deutschlands und 
seine Verbündeten aufgezwungenen Krieges erlitten haben?
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.