Volltext: Der Josephinismus

nischer Anschauungen auf politisch-weltanschaulichem Gebiete 
nachzugehen. Dabei ergibt sich in erster Linie die Notwendig 
keit einer genaueren Begriffsbestimmung. Schon sie stößt auf 
erhebliche Schwierigkeiten, da von einem festgefügten System 
ausgeprägter Anschauungen bei den meisten Vertretern des 
Josephinismus keine Rede sein kann. 
Josephinismus ist keineswegs eine bloße Lebensform — die 
Lebensform ist im Vormärz vielmehr durch den Biedermeier 1 
gegeben —, sondern Geist und Gesinnung in tätiger Reflexion 
von oft überraschender Einsicht und Tiefe. Josephinismus ist 
auch nicht etwa mit dem Metternichschen ,,System“ identisch, 
ja nicht einmal auch nur unmittelbar seine Grundlage 2 * * * * * . 
Ebenso wenig können die josephinischen Stimmungen gleich 
gesetzt werden mit bestimmten Formen legitimistisch-konser- 
vativen Denkens. Dieses hat sich auch in Österreich erst im 
Laufe des 19. Jahrhunderts ausgebildet und tritt uns etwa in 
der Person Erzherzog Albrechts (1817—1895) entgegen 8 . Auf 
der anderen Seite ist nicht zu verkennen, daß neben dem 
*) Als geistige Gesamterscheinung ist der österreichische Biedermeier wenig er 
forscht. Dagegen hat die Erforschung des Biedermeiers in Ungarn gerade im letzten 
Jahrzehnt große Fortschritte erzielt, wobei ich vor allem auf die Arbeiten B61a 
Zolnais (U. a.: Magyar Biedermeier [Ungar. Biedermeier], Budapest 1941) hin- 
weisen möchte. Ebenso wie der Josephinismus ist der Biedermeier in fast allen Län 
dern der österreichischen Monarchie wirksam gewesen. Bei der Orthodoxie abge 
schwächter, etwas geringer an Geltung auch bei den Protestanten, vor allem den 
Kalvinern, hat er sich über die nationalen Unterschiede und aufkommenden Gegen 
sätzlichkeiten hinweg als schlechtweg apolitische und anationale Lebensform 
durchsetzen können. Dagegen ist seine Ausbreitung stark von sozialen Gegeben 
heiten, so vom Vorhandensein eines kräftigen Bürgertums abhängig, obschon auch 
beim Adel und den sonstigen Elementen der damaligen Mittel- und Oberschicht 
Einflüsse des Biedermeiers sehr stark sind. Vor allem beim bürgerlichen Mittel 
stand hat er sich zäh behauptet, in gewissen kleinbürgerlichen Schichten der 
Nachfolgestaaten in seinen Nachwirkungen bis in die Gegenwart hinein. 
2 ) So macht Srbik mit Recht darauf aufmerksam, daß der Gegensatz zwischen 
Metternich und Kolowrat auch in dessen josephinischer Haltung begründet war. 
Heinrich Bitter v. Srbik, Metternich, der Staatsmann und Mensch. München 
1925 I, 545 f. - Metternichs Kampf gegen das josephinische Beamtentum: ebda., 
I» 453. 
8 ) Vgl. Srbiky Erzherzog Albrecht und der altösterreichische Soldatengeist: Stufen 
und Wandlungen der deutschen Einheit. Stuttgart-Berlin 1943, 296 ff. 
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