Volltext: Die Zweierschützen im Weltkrieg 1914 - 1918 [H. 1] ([H. 1] / 1929)

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Das Leben auf der Landstraße wird feierlich, bald wogt es festlich. Im Sonntagsstaat zieht das Volk 
haufenweise zum Bahnhöfe. Wagen fahren auf, Offiziere und der Statthalter. Die Menge macht Platz und 
grüßt ehrfurchtsvoll. 
Statthalter Baron Handel, Landeshauptmann Hauser mit ihren Beamten: General d. I. Freiherr 
v. Schwitzer und das ganze Offizierskorps der Linzer Garnison haben sich eingefunden, um den Kaiser 
zu empfangen. 
Die anschließende freie Verlängerung des Bahnsteiges ist vollgepfropft von Menschen, denen es ge 
lungen war, Einlaß zu erlangen. 
Tiefe ernste Feierlichkeit wallt über dem Bahnsteig und die Erwartung liegt auf allen Gesichtern. 
Eine gewisse leise Unruhe bewegt die Menge. Es wird gewispert und geflüstert! 
Plötzlich verstummt es. Erzherzog Josef Ferdinand erscheint. 
Bald darauf fährt der Hofzug heran und hält. 
Dem Wagen entsteigt Se. Majestät der Kaiser, Se. kaiserliche Hoheit Erzherzog Thronfolger Karl 
Franz Josef, Generaladjutant General d. K. Graf Paar, Kriegsminister Feldzeugmeister Ritter v. Krobatin. 
Lautlos still ist es. Des Kaisers Ernst hält alle in lautlosem Banne. 
Der greife Kriegsherr Österreichs ist fest und sicher auf den Erzherzog Josef Ferdinand zugeschritten, 
hat ihn begrüßt, wendet sich nun an die Würdenträger des Landes, schreitet die Front der Offiziere ab, 
kehrt dann zurück, bleibt vor der Mitte der versammelten Offiziere stehen und spricht: 
„Ich wollte nicht den Krieg, doch ist er unausbleiblich geworden. Ich bin überzeugt von 
der Tapferkeit Meiner Armee. Ich rechne auf ihre Standhaftigkeit und zähe Ausdauer." 
Nach diesen ernst und sicher gesprochenen Worten als vertrauensvoller Appell an die anwesenden 
Offiziere begibt sich der Kaiser zum Hofzug, steigt ein und erscheint beim Fenster. 
Und in diesem Moment reißt Erzherzog Josef Ferdinand den Säbel aus der Scheide, mit ihm alle 
Offiziere und in brausenden Hurrarufen huldigen sie ihrem Kriegsherrn, ihrem Kaiser. Ein Gelöbnis wehr 
hafter. todesmutiger Treue für Kaiser und Reich, dessen Zeuge auch der junge Thronfolger war. Ein ein 
ziger, historischer Moment war das. 
So kündeten mit starker und unzweideutiger Vollmacht die Vertreter des Landes und der Offiziere 
dem Kaiser die Gefühle des Volkes und der Garnison von Linz. 
Ein würdiges Vorspiel zur Kundgebung, wie sie sich am nächsten Tage mit voller Kraft in ganz 
Oberösterreich entfaltete. 
Denn am 31. Juli 1914, als wieder ein klarer voller Sommertag über Oberösterreich lag, läuten 
plötzlich nachmittags am Lande draußen die Glocken Sturm. 
Der Kaiser ruft die wehrfähigen Söhne des Landes zu den Waffen und sein Weckruf erschallt iu der 
tiefsten Weltabgeschiedenheit und dringt in das verborgenste Stilleben. 
Alle und alle Schichten der Bevölkerung braucht der Kaiser. Und so fliegen Radfahrer mit der Kunde 
vom Markte, vom Dorfe in die Ortschaften hinaus, Boten eilen zu den Bauerngehöften, von Haus zu Haus, 
bergauf, bergab, über Wiesen und Fluren und durch den Wald zur letzten Hütte. 
Und alle vernehmen die Kunde. Dem Holzhauer fällt die Axt vom Stamme, dem Förster die Kluppe 
zu; die Pflugschar bleibt im Acker stehen, Rechen und Gabel auf ihm liegen; der Hammer in der Schmiede 
am Bache verstummt und die Mühle hört zu klappern auf. Die Arbeit stockt unv steht momentan, wo sie ist. 
Feiertag ist im Nu geworden. In der Hütte, im Häuschen und im Gehöft wird es lebendig. Vater, 
Bruder und Sohn müssen einrücken. Haben keine Zeit für Fragen und Antworten. Benötigen rasch dies 
und jenes und laufen der Kirche zu. 
Einzeln, zu zweit, bald werden mehrere; am Kirchsteig zur Straße, in die Ortschaft, ins Dorf und 
in den Markt. Keiner will zu spät kommen, jeder der erste sein. Ein lautloses selbstverständliches Hasten. 
Am Platze bei der Kirche stehen um Lehrer und Pfarrer, Wirt und Bäcker, die Hemdärmeln noch 
umgestülpt; der Metzger im langen Schurze; der Krämer im grünen Kittel, der Schmied mit seinem Leder- 
vorfleck und schon kommen die anderen. Der Schneider ließ die Nadel im Saume stecken; der Schuster
	        
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