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GemeindeNachrichten
Chronik
Nummer 7 Oktober 2017
Mit einem Blick auf das Gestern das Heute verstehen und das Morgen erahnen
Der Einfluss der Habsburger und der
Khevenhüller im Attergau wurde in den
letzten GemeindeNachrichten nachge-
zeichnet. Das Ende der Feudalherrschaft
und die Bauernbefreiung soll Thema in
diesem Beitrag sein.
Die drei bedeutendsten Herrschaften im
Attergau waren Frankenburg, Kammer
und Kogl, die 1593 im Besitz der Khe-
venhüller zur Grafschaft Frankenburg
erhoben wurden. Kleinere Herrschaften
gab es in Unterach, Walchen, Litzlberg,
Wagrain, Wartenburg, Wildenhag und
Frein. Burgen und Schlösser, aber auch
Klöster, Pfarr- und Amthöfe repräsentier-
ten die Macht und waren Verwaltungs-
zentren, an welche die Abgaben zu leis-
ten waren.
Der Amthof Seewalchen war die Außen-
stelle für das Stift Michaelbeuern, der
Amthof Seeling bei St. Georgen (heute
Bauernhof Meergraf), die des Klosters
Asbach in Bayern. Die verschiedenen
Formen von Untertanenschaft waren mit
mehr oder wenigen großen Pflichten und
Einschränkungen verbunden.
Leibeigene:
Persönlich unfreie Menschen, auch Ei-
genleute genannt. Die Leibeigenschaft
wurde 1781 durch Kaiser Joseph II. auf-
gehoben.
Freistifter:
Diese Bauern konnten von der Herrschaft
jederzeit gezwungen werden, ihre Güter
zurückzugeben.
Leibgedinger:
Sie bekamen die Güter auf Lebenszeit
oder auf 2 bis 3 Leiber (Kinder und Kin-
deskinder) verliehen. Dann fiel das Gut
an die Herrschaft zurück.
Erbler:
Hier wurden meist Urkunden ausgestellt,
in welchen die Verpflichtungen genau
festgehalten waren. Erbgüter konnten
den Inhabern nur weggenommen werden,
wenn diese unbillig und unehrbar han-
delten oder mit den Dienstleistungen im
Rückstand blieben.
Chronik .
Mit einem Blick auf das Gestern das Heute verstehen und das Morgen erahnen
Der Einfluss der Habsburger und der Khevenhüller im Attergau wurde in den letzten
GemeindeNachrichten nachgezeichnet. Das Ende der Feudalherrschaft und die Bauernbefreiung
soll Thema in diesem Beitrag sein.
Die drei bedeutendsten Herrschaften im Attergau
waren Frankenburg, Kammer und Kogl, die 1593 im
Besitz der Khevenhüller zur Grafschaft Frankenburg
erhoben wurden. Klei ere Herrschaften gab es in
Unterach, Walchen, Litzlberg, Wagrain, Wartenburg,
Wild nhag und Frein. Burgen und Schlösser, aber
auch Klöster, Pfarr- und Amthöfe r präsentierten die
Macht und waren Verwaltungszentren, an welche
die Abgaben zu leisten waren. Der Amthof
Seewalchen war die Auße stelle für das Stift
Michaelbeuern, der Amthof Seeling bei St. Georgen
(heute Bauernhof Meergraf), die des Klosters Asbach
in Bayern. Die verschiedenen Formen von
Untertanenschaft waren mit mehr oder wenigen
großen Pflichten und Einschränkungen verbunden.
Leib igene: Persönlich unfr i Menschen, auch Eigenleute genannt. Die Leibeigenschaft wurde 1781 durch
Kaiser J seph II. aufgehoben.
Freistifter: Diese Bauern konnten von der Herrschaft jederzeit gezwungen werden, ihre Güter
zurückzugeben.
Leibgedinger: Sie bekamen die Güter auf Lebenszeit oder auf 2 bis 3 Leiber (Kinder und Kindeskinder)
verliehen. Da n fiel das Gut an die Herrschaft zurück.
Erbler: Hier wurden meist Urkunden ausgestellt, in welchen die Verpflichtungen genau festgehalten waren.
Erbgüter kon ten den In abern nur weggenommen werden, wenn diese unbillig und unehrbar handelten
oder mit den Dienstleistungen im Rückstand blieben.
Freieigner: Freieigner saßen als Freie auf ihrem Eigen und brauchten keine Abgaben und Dienste leisten.
Dafür mussten sie für Polizei- und Wachtdienste zur Verfügung stehen.
Behauste Güter: Wohnhaus, Wirtschaftsgebäude und die dazu gehörigen Hausgründe waren mit dem
Grunddienst und aller Rechtsprechung zu der Herrschaft gehörig. Der Grunddienst bestand wiederum aus
einer jährlichen Abgabe (Zehent) üblicherweise in Form von Getreide oder in Geld und Robotleistungen.
Die Herrschaften wurden von den Pflegern vertreten, die ihr Amt oft willkürlich und rigoros ausübten, was
auch zu bewaffneten Aufständen führte. Da kein Bauer gerne in einen Betrieb investiert, der ihm nicht
gehört, hatte di Grundherrschaft auch schwerwiegende Nachteile für die Bevölkerung. Der
Reichstagsabgeordnete und Arzt Hans Kudlich stellte 1848 den Antrag auf die Aufhebung der
Untertänigkeitsverhältnisse und alle damit verbundenen Pflichten. Das „Grundentlastungspatent“ wurde
am 7. Septemb r 1848 b schlos n und deren Durchführung 1849 durch Kaiser Franz Josef I. in die Wege
geleitet. Ein Drittel musste der Bauer aufbringen, ein Drittel übernahm der Staat und auf ein Drittel musste
der Grundherr verzichten. Das feudale Herrschaftssystem wurde damit abgeschafft und durch die
Neuordnung mit Bezirken und Gemeinden ersetzt. Der „Bauernbefreier“ Hans Kudlich musste jedoch später
fliehen und starb 1917 als letzter der 383 Abgeordneten des ersten österreichischen Reichstages im Alter
von 94 Jahren in Amerika. Seine Urne wurde 1925 nach Österreich überführt und in der Hans Kudlich-Warte
in Lobenstein beigesetzt.
Michael Wiesinger, Besitzer des Kollerhofes in Nußdorf, vermerkte in seinem Tagebuch über das Jahr 1848:
„Das Jahr 848 ist ein sehr gedeiliches Jahr Feldfrüchten und Obst besonders, wowier bei 70 Eimer Most
machen, wo zur selbigen zeit nie mehr als 10 Eimer gedengt wurden. Und so auch im Jahr 1849. Ihm Jahr
Eine der ältesten Fotografien von Nußdorfer Bürgern um
1860 - Quelle: Sammlung Walter Großpointner
Freieigner: Freieig-
ner saßen als Freie
auf ihrem Eigen und
brauchten keine Ab-
gaben und Dienste
leisten. Dafür muss-
ten sie für Polizei-
und Wachtdienste
zur Verfügung ste-
he .
Behauste Güter:
Wohnhaus, Wirt-
schaftsgebäude und
die dazu gehörigen
Hausgründe waren
mit dem Grunddienst
und aller Rechtspre-
chung zu der Herrschaft gehörig. Der
Grunddienst bestand wiederum aus einer
jährlichen Abgabe (Zehent) üblicherwei-
se in Form von Getreide oder in Geld und
Robotleistungen.
Die Herrschaften wurden von den Pfle-
gern vertreten, die ihr Amt oft willkür-
lich und rigoros ausübten, was auch zu
bew f neten Aufständen führte. Da kein
Bauer gerne in einen Betrieb investiert,
der ihm nicht gehört, hatte die Grund-
herrschaft auch schwerwiegende Nach-
teile für die Bevölkerung.
Der Reichstagsabgeordnete und Arzt
Hans Kudlich stellte 1848 den Antrag
auf die Aufhebung der Untertänigkeits-
verhältnisse und alle damit verbundenen
Pflichten. Das „Grundentlastungspatent“
wurde am 7. September 1848 beschlos-
sen und deren Durchführung 1849 durch
Kaiser Franz Josef I. in die Wege geleitet.
Ein Drittel musst der Bauer aufbringen,
ein Drittel übernahm der Staat und auf ein
Drittel musste der Grundherr verzichten.
Das f udale Herrscha tssyst m wurde
damit abgeschafft und durch die Neu-
ordnung mit Bezirken und Gemeinden
ersetzt. Der „Bauernbefreier“ Hans Kud-
lich musste jedoch später fliehen und
starb 1917 als letzter der 383 Abgeordne-
ten des ersten österreichischen Reichsta-
ges im Alter von 94 Jahren in Amerika.
Seine Urne wurde 1925 nach Österreich
überführt und in der Hans Kudlich-Warte
in Lobenstein beigesetzt.
Michael Wiesinger, Besitzer des Koller-
hofes in Nußdorf, vermerkte in seinem
Tagebuch über das Jahr 1848: „Das Jahr
1848 ist ein sehr gedeiliches Jahr Feld-
früchten und Obst besonders, wowier bei
70 Eimer Most machen, wo zur selbigen
zeit nie mehr als 10 Eimer gedengt wur-
den. Und so auch im Jahr 1849. Ihm Jahr
1848 Brach aber auch zugleich die Refe-
luzion in Wien. Ungarn und Ithalien zu
gleicher zeit aus welche bis in Jahr 1850
dauerte.“
Die Beendigung der Feudalherrschaft
verlief im Attergau vorwi gend friedlich.
Ab 1849 wird Bad Ischl zur kaiserlichen
Sommerresidenz, was sich in der Folge
auch auf die Entwicklung der Sommer-
frische am Attersee auswirkte. Die Men-
sche konnten in Folge ihrer gesicherten
Eigentumsrechte längerfristig planen und
in Zukunftsprojekte investieren. Um Fi-
nanzierungen zu erleichtern, wurde am
12. Jänner 1893 der Vorschusskassenver-
ein für Nußd rf, Lichtenbuch, Attersee
und Abtsdorf, die heutige Raiffeisenbank,
gegründet. So konnte sich nach und nach
ein bescheidener Wohlstand entwickeln.
Manfred Hemetsberger, Quelle: Atterwiki – Lebendiges
Wissen, das sich ständig erweitert und vertieft – www.at-
terwiki.at
e der ältest n Fotografien von Nußdorfer Bürgern um 1860 - Q el-
le: Sammlung Walter Großpointner