Volltext: Österreichs Paddelsport 1973 (1973)

Bericht von Egbert Kainzbauer, Salzburger Kanu-Club 
Befahrung des Gesäuses 
Die Enns gilt als klassisches Wildwasser der Entdeckerzeit. Doch 
ist das schon lange vorbei. Das meiste ging in Stauseen unter. 
Obriggeblieben ist nur noch die Kummerbrückenstrecke und der 
Gesäuseeingang mit den anschließenden Schwallstrecken. 
Vor ungefähr zehn Jahren fuhr ich selbst noch im Zweier 
mit meinem Freund und Bootsbesitzer Dipl.-Ing. Wolfgang Vogl 
die Hieflauer Höll hinunter. Damals waren der Kajakfahrer noch 
wenige und in unserer jugendlichen Unwissenheit und Unbe¬ 
kümmertheit fuhren wir nur in Badehose ohne Schwimmweste 
und Sturzhelm die Höll durch. Mit den Wanderspritzdecken wa¬ 
ren wir am Ende der Höll dem Sinken geweiht und bei der 
Landung kenterten wir obendrein, weil wir noch keine Ahnung 
von der Paddelstütze hatten. Damals trafen wir dann auf die 
»Experten« in ihren Einerkajaks (noch faltbar), was in der Folge 
von großem Einfluß war. 
In anschließenden Jahren fuhren wir noch ein paar Mal in 
Schladming auf der Enns und kehrten mit dem Versinken der 
Hieflauer Höll im Stausee der Enns den Rücken. Bei gelegent¬ 
lichen Fahrten auf der Salza warfen wir jedesmal einen ehr¬ 
fürchtigen Blick auf den Gesäuseeingang, wobei der Blick im 
Laufe der Jahre kritischer wurde. So manche Stelle des als un¬ 
befahrbar geltenden Gesäuseeinganges schien befahrbar, wenn 
diese Stelle nur für sich allein gestanden hätte. Paul Jäger fuhr 
schon vor zwei Jahren einige Stellen, doch die Gesamtbefahrung 
blieb ihm damals versagt. 
Bei einem neuerlichen Vorbeischauen im August 1973 erschien 
mir der Eingang fahrbar, bedingt auch durch die Erfahrungen 
in der wuchtigen öztaler Ache, welche ich am heißesten Tag 
des Jahres 1973 mit Paul Jäger bei Hochwasser befuhr. So be¬ 
schlossen wir eine Befahrung zu wagen. Beinahe machte uns 
der Regen noch einen Strich durch die Rechnung. Denn steigen¬ 
des Wasser wollten wir nicht in Kauf nehmen. 
Doch einige Tage später war es soweit. Nach kurzer Beratung 
setzten wir zwei Kilometer oberhalb des Einganges bei der 
Brücke nach Weng ein, wo die Enns noch ganz ruhig dahinfließt. 
Von der ersten, unvermittelt einsetzenden Schwallstrecke von 
etwa hundert Meter Länge und einem Schwierigkeitsgrad über 
V schlägt das Herz schneller und der Mund wird trocken. Die 
Wasserwucht ist stellenweise erdrückend, nach jeder Stufe 
öffnet sich ein gähnend tiefes Loch. Gleichzeitig bricht sich die 
reißende Strömung an Felsbrocken und Platten. Paul wird auf 
einen Felsen hinaufgeschleudert, mich wirft es ins brodelnde 
Kehrwasser; doch dann hatten wir das erste Stück doch ge¬ 
schafft. Wir steuern ein großes Kehrwasser an und hatten einige 
qualvolle Minuten zu warten, bis das Kamerateam seinen Stand¬ 
ort wechselte. 
Doch jetzt sollte es eigentlich erst los gehen. Denn im zweiten 
Teil wartete die eigentliche Schlüsselstelle, welche ich subjektiv 
als Schwierigkeitsgrad VI einstufen möchte. Nach einer leichten 
Verblockung ist eine allesverschluckende Schrägwalze zu neh¬ 
men, in deren Gefolge sich noch einige Stufen befinden. Und 
ehe noch das Wasser aus den Augen abgelaufen ist, heißt es 
das Paddel rechts hineinhauen um im reißenden Strom die 
Durchfahrt zwischen zwei mächtigen Blöcken zu erwischen. Eine 
Stufe mit anschließender Walze läßt die Zähne zusammenbei¬ 
ßen. Dann kann man aufatmen, obwohl die Schwierigkeit noch im¬ 
mer im V. Grad liegt und erst unterhalb der Eisenbahnbrücke 
bis gegen III absinkt. Wobei wir uns für den rechten Arm ent¬ 
schieden. 
Wir waren froh die Sache gemeistert zu haben. Denn Strömung 
und Wasserwucht gepaart mit Verblockung forderten das äußer¬ 
ste um eine Kenterung zu vermeiden. 
Selbst wenn man zu zweit unterwegs ist, ist es eine Strecke 
»Rette sich wer kann«, denn man kann sich in keiner Sekunde 
um den anderen kümmern. 
Anschließend befuhren wir noch die Kummerbrückenstrecke. Di¬ 
rekt unterhalb der Staumauer setzten wir ein. Nach einigen 
hundert Metern beschwingter Fahrt mußten wir gegen hundert 
Meter über Geröll und meterhohe Blöcke umtragen. Die Sonne 
brannte heiß auf die Felsen und der Schweiß rann in Strömen. 
Dann eröffnete sich auf einige Kilometer eine schwere, jedoch 
herrliche Wildwasserstrecke. Nach meiner privaten Schätzung 
Schwierigkeitsgrad V. Schwälle und Verblockung wechseln ab 
mit ruhigen Stellen. Oft ist der Fluß so mit Blöcken verstellt, 
daß wir aussteigen müssen um die Fahrrinne zu erkunden. An 
den bis zu einem Meter hohen Abfällen ging es ohne Eskimo¬ 
tieren nicht ab. Selten noch hatten wir eine derart enge Ver¬ 
blockung zu meistern. So manche Stelle war so gefinkelt, daß 
es nur mit hundertprozentigem Einsatz gelang sie sauber zu 
bewältigen. 
Am besten kann diese Strecke — sie führt durch Kalkgestein 
— mit der Loferer Schlucht der Saalach zwischen Teufelssteg 
und Au verglichen werden. Sowohl was den Charakter wie 
auch die Schwierigkeiten betrifft. 
Die Enns ist daher noch immer lohnend, obwohl ich von mir 
sagen möchte, daß ich mich nicht jederzeit für die dort gebo¬ 
tenen schweren Brocken fit fühle. 
Gesäuseeingang: 
Sechs bis sieben Kilometer flußabwärts von Admont, wo die 
Straße die Bahn übersetzt. Der eigentliche Eingang ist 300 Meter 
lang; zerfällt in zwei Abschnitte. Bei Niederwasser V+ bis VI. 
Reißende Strömung, Abbrüche, Walzen und schwere Verblok- 
kung. Daran schließt eine schöne Wildwasserstrecke an. 
Kummerbrückenstrecke: 
Von Gstatterboden acht Kilometer bis zur Eichenstraße der 
Straße zwei Kilometer vor Hieflau. Einsatzstelle nach der Stau¬ 
mauer. Nach mehreren hundert Metern technisch (?) unfahrbar 
durch gewaltige und enge Verblockung. Anstrengendes Umtragen 
Starke Verblockung, Schwälle, Abbrüche bis ein Meter und ru¬ 
hige Stellen wechseln einander ab. Schwierigkeitsgrad V plus 
technisch sehr gefinkelte Stellen. Durch fremdenverkehrsbeding¬ 
ten Wasserzuschuß vom Kraftwerk auch im Sommer regelmä¬ 
ßiger Wasserstand. 
Österreichs Paddelsport, Nr. 10, 1973 
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