Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

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Außendörfern da waren. Ich hörte, daß viele voller 
Angst schon auf Flucht bedacht waren. Da mußte ich 
hin und beruhigen. Ein Fuhrwerk, das einen Täufling 
zur Taufe gebracht hatte, konnte ich gleich benutzen. Aber 
durfte ich fort von Hause, da es doch bekannt wurde, daß 
unsere Bahnstation Illowo behördlich geräumt worden 
sei? Das Schwanken war nur einen Augenblick. In 
Wolla angekommen, höre ich, daß das halbe Dorf schon 
fort ist. Einige wollten gern bleiben, aber die allge 
meine Aufregung teilt sich auch den Besonnenen mit. 
Zurückgeblieben ist auf dem einen Hofe nur ein altes 
Ehepaar, das im Kriegsjahre seine goldene Hochzeit feiern 
sollte, sie hatten nicht fort wollen. Einen Jungen sehe 
ich mit zwei großen Broten über die Straße laufen, er 
sucht seine Mutter auf, die die anderen Kinder schon 
über den Fluß (die Neide) gebracht hat. An eine An 
dacht, wie ich sie sonst hier so gern gehalten habe, war 
nicht zu denken. Ich rate zu bleiben, bis ein obrigkeit 
licher Befehl uns fortgehen heiße. 
Nun ging's ins nächste Dorf, Krokau; dort waren 
noch fast alle Einwohner da außer den zur Fahne Ein 
berufenen. Hier konnte ich in der Schule eine Andacht 
halten, wozu die ganze Schulstube sich füllte. Was wir 
wollten, war das Gemeinsame unsere Augen aufzuheben 
zu den Bergen, von denen uns Hilfe kommt. Die Vetera 
nen von 1870 gaben mir darin recht, daß in Frankreich 
diejenigen am besten taten, die nicht flohen, sondern auch 
bei der Invasion ihr Haus hüteten. Und so würden wir 
ja auch nichts von russischen Soldaten zu fürchten haben. 
Ja wer kannte damals die Kosaken und anderes Gelichter; 
so macht man seine Pläne und es kommt oft so ganz 
anders. Wie doch haltlose Gerüchte so schnell entstehen 
und geglaubt werden! Da wurde mir schon am Sonn 
tag erzählt, daß Mlawa, die russische Grenzstadt, von 
den Unserigen gestürmt und daß von dorther Soldaten 
an hiesige Verwandte Grüße bestellt haben. Ja unseren 
Soldaten traute man schon etwas zu. 
Der Anblick des ersten deutschen Flugzeuges über 
der Grenze, den ich beim Nachhausekommen hatte, höb 
ebenfalls den Mut, doch die beunruhigenden Gerüchte
	        
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