Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

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räume wenigstens zum Teil mit Betten bestellt waren, 
hinübergetragen, aber immer wieder ruft man nach Bahren 
und Trägern. Ich trete hinaus, um etwas frische Luft 
zu atmen. Da sehe ich vor dem Eisengitter des Vor 
gartens 2 hohe, kräftige Gestalten auftauchen, die zwischen 
sich einen blassen fast ohnmächtigen Soldaten halb stützend, 
halb tragend nach dem benachbarten Lazarett in der Volks 
schule zu schaffen sich bemühen. Ich trete näher, sehe 
daß es Mädchen sind, Schwestern offenbar, die diesen 
stillen, von niemand beachteten Liebesdienst tun, uner 
müdlich bis in die anbrechende Nacht. Ein Sanitätssol 
dat tritt hinzu und will ihnen diesen Dienst untersagen, 
ich aber beruhige den Mann und man läßt sie gewähren. 
Dann folge ich ihnen in das zweite Lazarett. Hunderte 
von stöhnenden, ächzenden, sterbenden Soldaten hat man 
dort schon zusammengebracht und immer neue Scharen 
werden auf endlosen Wagenreihen herbeigeschafft. Alle 
Korridore liegen voll Verwundeter, die auf das Ver 
binden warten. Aberall Blut und Jammer und unzu 
reichende Hilfe. Aberall Rufe nach Wasser von halbver 
schmachteten Lippen, und nicht nur alle Zimmer im 
Hause bereits überfüllt, sondern auch die geräumige Turn 
halle, wo eine große Zahl Russen auf Stroh gebettet ist. 
Doch man weiß Platz zu schaffen. Die Verbundenen wer 
den zu den Wagen zurückgebracht und zum Bahnhof be 
fördert und endlose Züge fahren still durch die Nacht 
nach Gumbinnen und von dort zurück, um neu beladen 
zu werden. Aber bevor sie ihre mühevolle Fahrt antreten, 
suchen hilfreiche Frauen und Jungfrauen die Ermatteten 
mit Wasser, Kaffee und dergl. zu erquicken. Aber unzu 
länglich bleibt die Hilfe, es fehlt an Kräften gegenüber 
so großer Not. — Hier finde ich auch meine Frau wieder. 
Sie läßt durch unsern Sohn und ein paar andre Hilfs 
kräfte Kaffee, Wein, Keks herbeischaffen, unermüdlich wird 
vor allem Kaffee in Eimern gebracht und ausgeteilt. — 
Endlich tritt eine gewisse Erleichterung ein. Man 
schafft nach und nach die Transportfähigen zum Bahn 
hof, wo sie mit bereit stehenden Zügen weiterbefördert 
werden. Da tritt ein Oberstabsarzt zu mir und sagt: 
„Herr Pfarrer, sammeln Sie bitte die noch irgend marsch-
	        
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