Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

Tauf- und Abendmahlsg^räte und stellen jeder seine kleine 
Handtasche mit etwas Wäsche und dergl. bereit. Wir 
wollen jedenfalls bis zum Äußersten aushalten. Dann 
begeben wir uns gemeinsam ins Lazarett, ahnend, daß 
es dort zu helfen geben wird. Schon von weitem sehen 
wir, daß Wagen an Wagen gedrängt vor dem Eingangs 
tor des Krankenhauses steht, die Träger können nicht schnell 
genug die Fülle der Verwundeten bewältigen. Mancher 
muß lange warten, bevor er an die Reihe kommt. Und 
drinnen im Hause, welch furchtbarer Anblick! Treppen 
und Korridore voll Blut, hier und dort ein Tornister, 
ein Waffenrock, ein aufgeschnittener Stiefel, und dazwischen 
liegend, hockend, zusammengekauert Menschenleiber, die 
stöhnen und jammern und über dem allen atembe 
klemmender Dunst von Blutgeruch und Jodoform. Wir 
tasten uns vorsichtig an den auf dem Boden liegenden 
Menschen vorüber, meine Frau und mein Junge stellen 
sich der leitenden Schwester zur Verfügung und können 
mancherlei Arbeit und mancherlei Hilfeleistung über 
nehmen. Ich wende mich, in Erinnerung, daß ich einmal 
den Sanitätsdienst für Theologen in einem Garnisonla 
zarett durchgemacht habe und also etwas von dem Hand 
werk des Arztes verstehe, an den leitenden Arzt: „Herr 
Chefarzt, kann ich hier irgendwie behilflich sein?" Freund 
lich erwidert er mir: „Mit Freuden, Herr Pfarrer, nehme 
ich Sie zum Gehilfen." Schnell ist ein Operationsmantel 
beschafft, und ich trete nun in eine alle Nerven an 
spannende Tätigkeit ein, die mich über der Fülle der 
Arbeit alles andre vergessen läßt. Da schlägt eine Gra 
nate in das Haus, durchs Fenster in den oberen Saal, der 
mit Verwundeten dicht belegt ist. Entsetzt werfen diese 
sich aus den Betten, aber das Geschoß hat gegen das 
eiserne Gestell eines Bettes geschlagen und ist dann glück 
licherweise ohne zu platzen unter dem Bett liegen geblieben. 
Die Arbeit des Hineintragens der Verwundeten, des Ver 
bindens und Bettens wird ruhig fortgesetzt, kaum, daß 
man von dem Vorgang Notiz genommen hat. Endlich 
kommen noch einige Arzte und männliches Sanitätsper- 
sonal zu Hilfe. Es werden viele Verwundete zu dem 
großen Neubau der Volksschule, deren saalähnliche Klassen- 
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