Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

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verwundeten Männer soeben von einem vor dem Eingangs 
tor haltenden Wagen gehoben hätten. Sie seien aus 
Radzen, einem Dorfe an der Grenze, wären in ihrem 
Hause von russischen Soldaten überfallen worden, welche 
die im Bette liegende Großmutter erschlagen und sie selbst 
vertrieben hätten. Dann wäre hinter ihnen hergeschossen 
und dabei auch ein kleines Mädchen am rechten Unter 
arm schwer verletzt worden. Das Kind ist ihnen bei der 
eiligen Flucht abhanden gekommen. Auf dem Wagen sah 
ich dann die verängstigten Frauen, die um den Verlust 
des Kindes und all ihrer Habe jammerten. Sie wurden 
zu den andern von der städtischen Behörde bereits unter 
gebrachten Flüchtlingen gebracht und fanden ihren Platz 
neben einer auf einem Strohsack liegenden, jämmerlich 
stöhnenden alten Frau, die mit Brandwunden über und 
über bedeckt war, da man sie unter den Trümmern ihres 
brennenden Häuschens hervorgezogen hatte — ein rechtes 
Bild des durch den Krieg bereits geschaffenen Elends. 
— Neben dieser Fürsorge für die sich täglich mehrenden 
Flüchtlinge waren auch die andern, in der Stadt noch 
anwesenden Damen, vollauf damit beschäftigt, Nähstuben 
einzurichten, Suppen für die als Besatzung dienenden 
Landwehrleute zu kochen und Kaffee und andere Er 
frischungen für durchziehende Truppen bereit zu halten. 
Dazu kam die Sorge für die immer wieder wechselnde, 
oft erst in der Nacht eintreffende Einquartierung. Aber 
jedes Haus öffnete sich gern unsern braven Soldaten und 
überall gab man das Beste, so daß in jenen ersten Tagen 
des Krieges die köstlich duftenden und kräftig schmecken 
den Erbsensuppen der Feldküchen vielfach verschmäht 
und an die ärmere Zivilbevölkerung weggegeben wurden. 
Schnell nahm jedoch das besonders für die Jugend reiz 
volle bunte Bild des Soldatenlebens eine ernste, fast 
düstere Färbung an. Artillerieregimenter zogen schweigend 
unter dem grollenden Dröhnen der Geschütz- und Wu- 
nitionswagen durch die Stadt und zum Geknatter des 
Infanteriefeuers und der Maschinengewehre gesellte sich 
nun auch der Donner der Kanonen. An der Front, nur 
einige Kilometer östlich von der Stadt ist man im h§f° 
tigen Kampf. Neue Truppen tauchen auf, in der Ferne
	        
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