Volltext: Katholische Dichtung

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nächten fpieleriich bunten Hausrat anzufertigen. Was an Phantafie und Ge 
ichmack in ihnen lebte, glitt in die Form hölzerner Schnitzerei. Jede große 
Äußerung des Gefühls, jede Geftaltung von Dämonie und Leidenfchaft, blieb 
unter der Afche nüchternen Glaubens, harten Dafeinskampfes. 
Auch die großen Schriftfteller kamen in diefem Lande fehr fpät. Und dann: 
was gibt Ibfen dem menfchlichen Herzen, fubftrahiert man feine Anklage 
gegen die menfchliche Gefellfchaft? Es bleibt Solveigs Lied, es bleibt das Bild 
der einfamen Frau auf dem Säter, hoch im Gebirge; todeseinfam in einem 
Meer von Stein und Flechte, in dem des Nachts die Trolle heulen, während 
der Sturm um die Hütte fauft. Es bleibt der Begriff des Peer Gynt, des von 
einer gewaltigen Gefühlswoge erfaßten Mannes, deffen Drang fein Land nicht 
genügt und den es in die Ferne lockt; er wird Abenteurer und als Abenteurer 
und Bettler kehrt er heim. Er bleibt unverftanden; feine Dämonie hinterläßt 
klaren, nüchternen Menfchen ein peinliches Gefühl, ebenfo peinlich wie das 
Benehmen der Hedda Gabler, des Baumeifters Solneß und all der anderen. 
All der Zwiefpalt auch in nordifcher Kunft kriftallifierte fich aus dem Geift 
diefer Länder. Da ift ein ruhiger, puritanifcher Bauer, dem alles äußerft zu 
wider ift, was nach Leidenfchaft fchmeckt, dem jede Offenbarung des Gefühls 
peinlich ift — und doch glüht die phantaftifche und dunkle Seele des Nordens, 
die Seele, aus deren dunklen Gründen das Lied der Edda flieg, auf denen einft 
wie eine Rofe aus Südland das Chriftentum erblühte. 
Das katholifche Chriftentum hätte alle Möglichkeiten befeffen, den nor- 
difchen Gewalten Form und Geftaltung zu lehren; erft als der trockene Puri 
tanismus jede heldifche Phantaftik unterjochte, flüchteten fie ins Abenteuer. 
In der fo nüchtern gewordenen Welt erfcheint Peer Gvnts fauftifche Sehn- 
fucht geradezu peinlich, und doch hat Ibfen diefe Geftalt aus den tiefften 
Wurzeln des norwegifchen Volkstums gewonnen. Was anders denn, als ewig 
wiederkehrende Peer-Gynt-Figuren find die Seefahrer, die das Abenteuer in 
die Ferne lockt und die dennoch ihrem Lande nichts anderes zurückzubringen 
vermögen als wieder die Sehnfucht ihres Herzens. 
Der Kreis der ewig Suchenden fchließt fich erft mit Sigrid Undfet, die aus der 
Idee des chriftlichen Glaubens die Antwort gewinnt, fie, die geiftige Tochter 
Königs Olaf des Heiligen. 
Entnommen aus: Juliana von Stockhaujen „Vom nordijchen Geifte“. Ein Buch aus Skandi 
navien. Mit drei Legenden von Sigrid Undjet. 264 Seiten. Kartoniert M. 4.30, 
in Leinen M. 6.— 
„Ein ganz wunderbares Buch über Skandinavien. Urfprünglich nicht 
nur in der Wiedergabe des Gefehenen und Erlebten, nein, auch in der 
Art, wie nordifche Gedankenwelt dem deutfchen Lefer vermittelt wird. 
Die tiefe Kraft nordifchen Wefens wird in meifterhafte hiftorifche Mh 
niaturen gebannt, die den Sagaftil vollkommen beherrfchend, an Strinds 
berg heranreichen. Ein Buch, das grell wie kein anderes die tiefe Sehns 
fucht des Skandinaviers nach dem Katholizismus dartut. Die drei Er* 
zählungen aus Sigrid Undfets Feder, von der uns die Verfafferin viel 
Tiefes fagt, erhöhen den Wert des Buches, das freilich auch ohne fie 
von eminenter Bedeutung wäre. u Reichspoß, Wien
	        
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