Volltext: Die Ostalpen und Österreich

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DIE ALPENLÄNDER: OSTALPEN 
bestehenden Hospize waren ja trotz segensreichster Wirksamkeit nicht ausreichend. 
Trotzdem hatte sich aber schon frühzeitig ein lebhafter Fernverkehr entwickelt. 
Abseits der Linien des großen Durchzugsverkehrs erfolgte aber die Erschließung 
des Hochgebirges erst mit dem Aufkommen jener großen Bewegung, die wir als 
Alpinismus bezeichnen und deren Einsetzen man in der Schweiz schon im 16. Jahr 
hundert, in den Ostalpen gegen Ende des 18. Jahrhunderts verfolgen kann. Gegen 
die Mitte des 19. Jahrhunderts ergriff die Bergbegeisterung immer weitere Kreise, 
und der Alpinismus ist seither zu einer geistigen Strömung von höchster Bedeutung 
angewachsen. In immer noch steigendem Maße suchen die modernen Großstadt 
menschen in der erhabenen Einsamkeit des Hochgebirges Erholung und Natur 
freude und begeistern sich, der nervenzerrüttenden Hast und Arbeit des Alltags 
entrückt, an den majestätischen firngekrönten Bergriesen, die ihnen reiche Ge 
legenheit bieten, Kraft und Mut zu erproben. 
Hand in Hand mit der touristischen Erschließung des Hochgebirges ging die wissen 
schaftliche. Mit seinen großen Verschiedenheiten im geologischen Bau, in Höhen- 
und Himmelslage begünstigte es wie kaum eine andere Landschaft das Studium 
der verschiedenen geographischen Faktoren in ihren Wechselbeziehungen auf 
einander und in ihrem Einfluß auf die Landschaft und ihre Lebewesen. Betrachtet 
man außerdem die Lage der Alpen im Herzen Europas mit seinen zahlreichen 
Universitäten, von denen zwei, Innsbruck und Grenoble, sogar mitten im Gebirge 
selbst liegen, so begreift man, daß sie zu einer hohen Schule für die Naturwissen 
schaften werden mußten wie vielleicht kein zweites Gebirge auf der Erde. 
Eine Reihe von Gründen hat zur Einteilung des ganzen Alpenbogens in 
West- und Ostalpen geführt, die durch eine vom Tal des Rheins und Hinter 
rheins über den Splügenpaß in das Liro- und Meratal und zum Comersee verlau 
fende Linie voneinander getrennt werden. 
Schon rein äußerlich unterscheiden sich beide Teile in der Hauptstreichungs 
richtung, die in den Westalpen mehr nord-südlich, in den Ostalpen west-östlich 
verläuft. Die Westalpen sind ferner auf einen verhältnismäßig engen Raum zu 
sammengepreßt, dafür aber viel höher als die breiteren Ostalpen, die nur mehr im 
Piz Bernina eine absolute Höhe von über 4000 m erreichen. Das fast unmittel 
bare Aufstreben von Viertausendern über der oberitalienischen Tiefebene erzeugt 
in den Westalpen auch viel größere relative Höhenunterschiede und damit eine 
überwältigende Großartigkeit des Gebirges, der die Ostalpen kaum Ebenbürtiges 
zur Seite zu stellen haben. 
Die tiefere Berechtigung der Scheidung von West- und Ostalpen liegt aber in ihrer 
ganz verschiedenen erdgeschichtlichen Entwicklung. Nicht nur im Baumaterial 
herrschen große Unterschiede, indem sich die Ostalpen unter anderem durch eine 
reiche und lückenlose Entfaltung der Trias auszeichnen, die Westalpen mehr durch 
eine solche der Jura- und Kreideschichten, sondern auch im Alter und in der 
Art der Gebirgsbildung; denn die Ostalpen wurden schon viel früher zum Gebirge 
emporgehoben als die Westalpen. Dabei spielen in diesen Faltungserscheinungen 
die Hauptrolle, in jenen tritt mehr Bruchtektonik in den Vordergrund. 
Zu alledem gesellen sich nun auch sehr wichtige Unterschiede im Klima, das in 
den Westalpen von atlantischen und mediterranen Einflüssen bestimmt ist, in 
den Ostalpen überwiegend kontinentalen Charakter aufweist. Dadurch ist nicht 
nur eine weitgehende Verschiedenheit des Pflanzenkleides, sondern auch des ge 
samten Wirtschaftslebens bedingt.
	        
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