Volltext: Das Bevölkerungsproblem Oesterreichs

178 
L. Gschwendtner,: 
Beziehungen der Bevölkerungsfrage mit dem Wirtschaftsproblem je über 
dacht hat und nach dem, was vorhin gesagt worden ist, dürfte auch dieses 
weitere Sinken als eine notgedrungene Reaktion aufgefaßt werden können. 
Noch ein Moment kann zur Beruhigung angeführt werden, das gerade in 
Oesterreich nicht übersehen werden darf, das ist der von der katholischen 
Kirche ausgehende Einfluß auf diesem Gebiet. Wenn auch die katholische 
Religion im Laufe der Zeit auf dem Gebiet der quantitativen Bevölkerungs 
politik merklich an Macht eingebüßt hat, so verfügt sie doch immer noch 
über genügend Machtmittel, um zur Zeit ernster Gefahr energisch zu helfen, 
um ein eventuelles Sinken über das zuträgliche Ausmaß hinaus noch recht 
zeitig zum Stillstand zu bringen. Gerade deswegen ist die Befürchtung 
G r o t j a h n s, die er aus der Möglichkeit zieht, daß die Geburtenziffer 
nahezu unbegrenzt sinken kann, während die Sterblichkeit an ein 
bestimmtes Mindestmaß gebunden ist, für Oesterreich zumindest noch heute 
weniger aktuell wie etwa für das Deutsche Reich. 
Aus der eben gewonnenen Schlußfolgerung, daß die Verringerung der 
jährlichen Zuwachsquote derzeit noch keinen Anlaß zu ernsten Besorgnissen 
gibt, lassen sich aber keineswegs für die zukünftige Bevölkerungspolitik 
ohne weiteres Richtlinien ziehen. Es wäre nicht nur gewagt, sondern un 
bedingt falsch, wollte man daraus die Folgerung ziehen, daß durch eine 
noch stärkere Geburtenbeschränkung und ein noch weiteres Sinken der 
Zuwachsquote die Bevölkerungsfrage unseres Landes am besten gelöst wer 
den könnte. Es kann gleich hier vorweggenommen werden, daß die von 
East vorgeschlagene weitere Eindämmung des Geburtenüberschusses bis 
zur französischen Quote von 1,6 pro 1000 Einwohner für Oesterreich nicht 
nur nicht ohne Bedenken sein müßte, sondern bereits den Untergang seines 
Volkes bedeuten würde, da seine Nachbarn nur darauf lauern, ihre von Jahr 
zu Jahr immer mehr zunehmende Bevölkerungsdichte durch Abwanderung 
ihrer Bürger in weniger übervölkerte Länder teilweise zu erleichtern. Noch 
eine andere Ueberlegung kann gleich hier gegen diese irrtümliche Auf 
fassung angeführt werden, und zwar die geschichtlich wie biologisch er 
wiesene Tatsache, daß in dem Maße, wie der Druck, der von der jeweiligen 
Bevölkerungsdichte ausgeht, an Stärke nachläßt, sich auch die Anspannung 
der vorhandenen Arbeitskräfte vermindert, was eine Verringerung der Pro 
duktion hervorruft und damit neuerdings die Wirtschaftslage verschlechtert. 
Man darf schließlich auch nicht vergessen, daß die Volkswirtschaft und 
die Wirtschaftspolitik sekundäre Erscheinungen sind und überhaupt erst 
des Volkes und seiner nationalen Aufgabe wegen betrieben werden. Es wird 
deshalb unter normalen Verhältnissen auch allgemein als selbstverständlich 
empfunden, daß sich die Volkswirtschaft den jeweils gegebenen Bevölke 
rungsverhältnissen anpassen muß und nicht umgekehrt. Diese Andeutungen 
dürften genügen, um zu zeigen, daß es nicht angeht, aus einer momentanen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.