Volltext: Kriegs-Kalender für das Jahr 1915 (1915)

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b( Langsam ruderten die Boote nun auf die 
vmentfernte Küste zu. Vor Sonnenuntergang 
b-wollte man nicht zurück an Bord, und es war 
Mallmählich Zeit geworden, an das Frühstück 
Zaozu denken. Proviant hatte jedes Boot genü- 
chggend bei sich und am Lande befand sich, wie 
,d «in den meisten jener Gegenden, wo die haupt- 
)bgsächlichsten Fanggründe liegen, eine Schutz- 
Schütte wo man das Essen aufkochen konnte. 
Ueber zwei Stunden hatte man noch zu ru- 
lochern, ehe die Stelle erreicht war. wo das Eis¬ 
sei,meer die Festlands¬ 
uni,küste bespülte, 
tu, Nachdem die Boote 
>og«auf den Strand ge- 
lerlizogen waren, zünde¬ 
lten die Matrosen 
von dem umliegen- 
, a,den Treibholz ein 
ehestnisterndes Feuer 
Aa,an. und bald bro- 
hndelte der Inhalt der 
1 g,Konservendosen über 
dm den züngelnden 
Kö, Flammen, 
nid Robert Davies 
>efel entfernte sich gleich 
^darauf. Er hoffte, 
stmmit seinem Revol- 
Ztver ein paar Wild¬ 
auenten zu erlegen. 
, m Auch Henry Da- 
Zaffvies verlieh den La- 
nmgerplah. um am 
d,Strande etzbare Mu- 
;ell,schein aufzustöbern, 
n Mine halbe Stunde 
mochte er so gewan- 
iMdert sein, da war es 
it hihm, als hörte er 
Hjin der Ferne den 
ToiHilferuf eines Men- 
m« schen. Lauschend 
v«blieb er stehen. Jetzt, 
kein Zweifel mehr. 
- ertönte der Ruf zum 
^andernmal. Furcht¬ 
eterweckend gellte er 
durch die Einöde. So schnell es der glatte 
Boden erlaubte, klomm Henry vom Strande 
„ "die Eishügel hinauf, hoffte er doch, von 
,Moben eine bessere Uebersicht zu haben. Noch 
«einMsal ertönte der Hilferuf, nun schwächer 
^.werdend. Mit ein paar Sätzen hatte Davies 
-den Hügel erreicht. Ein Ruf jähen, tiefsten 
^Erschreckens entrang sich seinem Munde, als 
^^sein Blick über die trostlose Eiswüste schweifte. 
marDort in der Ferne kämpfte ein einzelner Mann 
e e,iSegen einen Eisbären — und — ein Erschau¬ 
ern durchrann seinen Körper — jener Mann 
Der Bär hatte sich emporgerichtet und hielt mit 
den Zähnen den rechten Unterarm Davies gepackt. 
war kein anderer als sein Bruder Robert. 
Unwillkürlich durchzuckte ihn ein Gedanke. 
Hatzte Robert ihn nicht, weil sie beide das¬ 
selbe !Mädchen liebten? — Waren nicht Zwie¬ 
tracht und Eifersucht beendet, wenn jener nicht 
mehr lebte? — Nur ein sekundenlanges 
Schwanken war es. dann hatte sein besseres 
Selbst gesiegt. Mit fliegender Eile stürzte er 
nach dem Kampfplatz hin. Seine einzige 
Waffe war das breite, starke Scheidemesser, 
das er hinten im Gürtel trug, Robert Davies 
merkte nichts von 
dem Kommen des 
Bruders. Seine Ner¬ 
ven befanden sich im 
Zustande höchster 
Spannung. Keu¬ 
chend i ging sein 
Atem, und vergeb¬ 
lich versuchte er, der 
todbringenden Um¬ 
armung der Bestie 
zu entgehen. Der 
Bär hatte sich em¬ 
porgerichtet und 
hielt mit den Zäh¬ 
nen den rechten Un¬ 
terarm Davies ge¬ 
packt. Wer Sieger 
bleiben würde, in 
diesem ungleichen 
Kampfe, war nicht 
zweifelhaft: denn 
der Revolver war 
längst Roberts 
kraftloser Rechten 
entfallen, und er 
fühlte, wie ihn seine 
Kräfte zusehends 
verliehen. Mit einer 
letzten verzweifelten 
Kraftanstrenguna 
versuchte er den An¬ 
greifer zurückzu-- 
stotzen, und in die¬ 
sem Moment hörte 
er seinen Namen ru¬ 
fen. 
Was dann geschah, berührte ihn wie 
eine Vision. Der Eisbär liefe seinen Arm fah¬ 
ren und stietz ein dumpfes, drohendes Grol¬ 
len aus; doch schon gleich darauf krachte ein 
Schutz, und das Untier stürzte mit schwerem 
Aufschlag zu Boden. 
Zitternd von der furchtbaren Aufregung 
mit totenbleichen Gesichtern und fliegendem 
Atem standen sich die Brüder gegenüber. Des 
Steuermanns Augen irrten nach des Bruders 
Hand, und als seine Blicke aus seinen eigenen, 
noch rauchenden Revolver fielen, dämmerte
	        
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