Volltext: Kämpfer an vergessenen Fronten

Silberschränke sprachen deutlich genug. Als ich mich nach Tisch zur Ruhe gelegt hatte, wurde ich von der 
verängstigten Frau auf das unmittelbare Herannahen einer finnischen Roten-Garde-Patrouille aufmerksam 
gemacht. Deutlich konnte ich acht Reiter (finnische Rote Garde) vor dem Äaus erblicken, die sich jedoch 
bald in südöstlicher Richtung entfernten. Es war eine Ablösungspatrouille, von Borg« kommend, nach 
Bastö reitend. Das Äaus gehörte der Familie Karlson. Durch die Nachbarschaft wurde mir zu erkennen 
gegeben, daß ein längeres Verweilen in Lökön der in der letzten Zeit erhöhten Patrouillentätigkeit wegen 
für mich gefährlich werden könne. Ich ließ mir Zivilmantel und Mütze geben und gelangte dank der gro߬ 
artigen Hilfeleistung der finnischen Leute, die mich auf 100 und 200 Meter nach vor- und rückwärts deckten, 
nach Kabas, woselbst ich bis 8 Ahr abends bei einer Karlson bekannten Familie verblieb und dieselbe Anter- 
stützuug fand. Da mein Entschluß feststand, abends noch mit einem Boot Pellinge zu verlassen, brach ich 
um 8 Ahr abends aus und erreichte um 9 Ahr abends die Wohnung des Fischers Bloemkvist. Dieser 
und ein in der Nachbarschaft wohnender Fischer, Ana Johannson, erklärten sich freiwillig bereit, mit mir 
den Marsch nach Estland anzutreten, um den Belästigungen der Roten Garde zu entgehen. Für mich 
war es eine angenehme Aberraschung, denn allein hätte ich nach meinen jetzigen Erfahrungen Estland nie 
erreicht. Am 1 l Ahr abends wurde ein Boot mit Lebensmitteln, an denen dort kein Mangel zu herrschen 
schien, an eine kleine Insel südlich Pellinge gebracht, und um 12 Ahr mitternachts konnten wir unseren Marsch 
in füd-füd östlich er Richtung antreten, Richtung: Stänsar. Am 2 Ahr morgens machten wir, der zu¬ 
nehmenden Dunkelheit wegen, um uns größere Amwege durch die nicht mehr erkennbaren Eisschollen-An- 
Häufungen zu ersparen, Kalt und setzten unseren Marsch um 5 Ahr vormittags fort. Räch etwa 
stündigem weiteren Marsch ruderten wir an der Stelle, an der ich nachts zuvor hatte umkehren müssen, 
über zwei mit Eisstücken durchsetzte Wasserrinnen. Bon dieser Stelle bis Tolsburg war — abgesehen 
von vielen ungünstigen Eisverhältnissen, hohen Schollenanhäufungen — das Eis überall passierbar. Nach 
sechsstündigem Weitermarsch am nächsten Tage erblickten wir den Leuchtturm von Stänsar, ein Amstand, 
der uns sehr erfreute, da unser alter Kompaß (Taschenkompaß) die Himmelsrichtungen zuweilen zu ver- 
wechseln schien. Am nächsten Tage, am 20. März, gelangten wir nach achtstündigem Weitermarsch in 
Tolsburg an. Die Fischer Frederik Bloemkvist und Ana Johannson, die sich auch während des ganzen 
Marsches vorbildlich benahmen, brachte ich auf ihren Wunsch nach Reval, wo sie vorläufig in der Turnhalle 
stationiert wurden. 
Bericht des Vizefeldwebels Mülberger über seinen Abschuß und seine Gefangennahme 
am 22. März 1918. 
Bei einem Schlachtfiuge am 22. März längs der Straße Villers Faueou—Longeavesnes sichtete ich 
nachmittags 3 Ahr nördlich der Straße Vendelles—Bernes einen Tank, den ich mit fünf übriggebliebenen 
Wurfgranaten angriff, die teils seitlich, teils hinter ihm einschlugen, anscheinend ohne Wirkung. Ich erhielt 
sehr starkes Jnfanteriefeuer von der Erde, beim Abdrehen wurde das Flugzeug durch einen Artillerie- 
treffer oder ein Revolverkanonengeschoß unter den Motor hochgeworfen. Der Motor stand still. Mein 
Führer, Anteroffizier Mall, rief mir zu, er sei verwundet und setzte das bereits rauchende Flugzeug auf 
eine Wiese dicht nördlich Bernes, wo es sofort in Flammen stand. Wir sprangen heraus und wurden 
aus etwa 25Meter Entfernung stark unter Jnsanterieseuer genommen. Ich erhielt einen Steckschuß in die 
linke Ferse und einen Streifschuß am rechten Oberschenkel, beides sehr leichte Verletzungen, die mich an der 
Ausübung meines Dienstes nicht hindern. Wir flüchteten, verfolgt von der fortwährend feuernden In- 
fanterie in das direkt vor uns liegende Dorf, wo ich meinen Flugzeugführer in einem Nebenrauni, einer 
Kantine, verbarg. Auf der Suche nach einem Versteck für mich stieß ich auf eine größere Anzahl Infan¬ 
teristen, die uns suchten und mich längere Zeit zwischen den Trümmern des Dorfes und den Baracken ver¬ 
folgten, bis es mir gelang, hinter einem Schutthaufen Deckung zu finden. Ich bedeckte mich mit Erde 
und Schutt und lag etwa zwei Stunden unbehelligt. Während dieser Zeit wurde mit Äilse eines Äuudes 
nach mir gesucht. Am nach meinem verwundeten Flugzeugführer zu sehen, wollte ich zu dessen Versteck 
kriechen. Dabei wurde ich aufgestöbert und in einen Winkel getrieben, wo ich keinen Ausweg sand und 
gefangengenommen wurde. 
Bei dem nun folgenden Verhör durch einen Offizier und Sergeanten gab ich trotz mehrfacher Drohung 
keine Auskunst. Ich sollte dann von einem Posten über Äaneourt abtransportiert werden. Im Dorf
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.