Volltext: Österreichische Kriegsgeschichten 1914/15

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Eben war ich dabei, meinen Zug zu sammeln, um die 
Vorrückung fortzusetzen, als ein von uns gefangener russischer 
Offizier vor mich hintrat und in gutem Deutsch höflich bat, 
ihn zu einem st erbenden Kam e r a d e n ^zu begleiten, 
der, einige Schritte entfernt, schwer verwundet im Graben 
Liege. Ich willfahre seiner Bitte und wurde nun Zeuge 
einer tief rührenden Szene, die sich inmitten des wilden 
Kriegsgetümmels abspielte. Der Getroffene hatte eine Gewehr¬ 
kugel durch! die Brust erhalten und lag nun, die deutlichen 
Zeichen des nahenden Todes aipf feinem Antlitze, im Schützen¬ 
graben. Sein müdes, Auge belebte sich ein wenig, als wir 
vor ihn hintraten, u,nd langsam versuchte er, soweit die ent¬ 
eilenden Lebenskräfte es ihm erlaubten, seine rechte Hand 
zu heben, deren Mittelfinger einen Ring trug. 
Schweigend, mit Tränen in den Augen, zog sein Ka¬ 
merad den Ring vom Finger. Ein sanftes Lächeln um¬ 
spielte die Lippen des Sterbenden, ein letztes, schwaches Auf¬ 
blitzen in seinem Auge, dann schloß es sich für immer. Laut 
schluchzend drückte ihm sein russischer Kamerad noch einmal 
die Hand und wandte sich, dann ab. Auch kfy stand ganz 
erschüttert da und nach, dem wutentbrannten Sturme ward 
ich wieder zum Menschen, der auch seine sorgenvolle 
Mutter zu Hause hatte, wie der gestorbene Feind, dem 
wenigstens die letzte Bitte erfüllt werden konnte: den Ring 
als Zeichen seines Todes und als letztes Angedenken 
seiner Mutter heimzusenden, wie er es ihr versprach. 
43. Das Wiedersehen. 
Im Stabszimmer unseres . . . ten Korps. Im Kar¬ 
pathendorf . . . Am Abend des 28. Jänner. Frohe Be¬ 
geisterung erfüllt alle, von btx Exzellenz an bis zur Or¬ 
donnanz: heute hat das „eiserne Korps" wieder seinen 
großen Tag, hat den Russen die Höhen von Csarna 
entrissen. — El fHund ert Gesan gene. 
Hunderte von Leichen liegen draußen auf dem 
verschneiten Kamm, am Talhang, vor den Drahtverhauen 
unserer Schützengräben. Zeitig ging heute die Sonne —
	        
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