Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1871 (1871)

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In England, Frankreich und auch am Rhein wird der gute kräftige 
Most sogleich nach Vollendung der stürmischen Gährung von der Hefe ab 
gezogen und in reine Fäßer gefüllt, wodurch der Most an Wohlgeschmack 
gewinnt und eben so dauerhaft bleibt. In obstreichen Jahren wird hier 
sehr viel Most gemacht, und man darf annehmen, daß in den meisten 
Bauernhöfen 200—300 Eimer, und in den größere Obstbaumpflanzungen 
besitzenden Wirthschaften 400—600 Eimer Most und auch darüber, in be 
sonders gesegneten Obstjahren gewonnen werden. In solchen Fällen sind 
wohl umständliche Arbeiten nicht leicht möglich, wegen Mangel an Zeit und 
Raum; das Einsammeln des Obstes und die Mostbereitung geschieht durch 
das Hanspersonale, und da die übrigen landwirthschaftlichen Arbeiten um 
diese Zeit ebenfalls zahlreich und unaufschiebbar sind, so müßen auch die 
Nachtstunden zur Mostbereitung benützt werden. Ein Zusatz von Wasser 
findet in guten Jahren selten statt; hingegen kommt dies in Nothjahren 
häufig vor, und werden dann die Preßstöcke aufgelöst, mit Wasser begossen 
und nochmals ausgepreßt. 
Der Mostessig wird hier nur aus den Preßstöcken der Birnen für 
den Hausbedarf bereitet; da dieser Mostessig allen künstlich bereiteten in jeder 
Beziehung vorzuziehen ist, und in großen Mengen bereitet werden könnte, 
so wäre ein stärkerer Absatz, selbst in die Nachbarländer sehr lohnend und 
darum wünschenswerth. 
Die Preßstöcke werden hier gewöhnlich weggeworfen, das Trocknen 
derselben zu Brennmateriale kommt selten vor. In Frankreich werden diese 
Preßrückstände als Dünger für die Obstbäume verwendet; ist auch die 
Düngerkraft nicht so bedeutend, so dient diese Decke eben so wie Lederlohe 
als Schutz gegen die Hitze, und hindert zugleich das Austrocknen der Erde, 
so wie das Wuchern des Unkrautes. 
Der gut bereitete Most kostet hier pr. 1 Eimer 2V s bis 3 fl. Bir 
nenmost etwas weniger, reiner Aepfelmost besonders von Weingärtling oder 
Wiesling 50 kr. und auch 1 fl. mehr. Mostessig pr. 1 Eimer 1 fl. bis 2 fl. 
Der Most ist hier allgemeiner Haustrunk für die Landwirthe und 
deren Arbeiter; der weitaus größere Theil wird daher im Hause selbst kon- 
sumirt; der übrige wird in die benachbarten Märkte und Städte und nur 
ein kleiner Theil über die Landesgränzen verkauft. 
Zwetschken und Pflaumen. 
Die Pflaumen und besonders die Zwetschken gedeihen vorzüglich in 
fettem kräftigem, etwas wenig feuchtem Boden und in warmer Lage, eine 
Düngung mit Jauche befördert das Gedeihen und den Fruchtansatz unge 
mein., und cs lohnen die Zwetschkenbäume jede empfangene Pflege sehr reich 
lich. Die vielen geschmackvollen Früchte, das leichte Pflücken, das schnelle 
Gedeihen, die vielfältige Verwerthung durch Dörren, Brennen, Gesälzbe- 
reitung rc.; das vorzügliche harte Nutzholz, das alles empfiehlt den Zwetsch- 
kenbauni zur allgemeinen Bepflanzung. Unbegreiflich ist daher die stief 
mütterliche Behandlung in hiesiger Gegend; man läßt die Zwetschkenbäume 
gar nicht als Obstbäume gelten, und vergönnt ihnen deßhalb keinen ordent 
lichen Standort. Die Baumzüchter bringen herrliche Zwetschken-Hochstämme
	        
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