Volltext: Alpenländische Musiker-Zeitung Folge 9 1931 (Folge 9 / 1931)

—— „Alpenländische Musiker⸗Zeitung“ 
Goßt nnt p d— 3J.— 
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Zum 100. Geburtstag des ößterreichischen 
Geigerkönigs Zosef Joachim · 
In diesen Tagen werden in fast allen Hauptstädten 
der Welt Zentenarfeiern für den großen Meister der 
Töne abgehalten. Radio, Sprechmaschinen, Konzerte 
und, Vortragsmeister werden in den Ehrungen Joachims 
wetteifern, denn es gilt einen der edelsten Menschen, 
einen der genialsten Künstler zu ehren. Am 28. Juni 
1831 in Kittsee geboren (sein Vater war ein im Bur⸗ 
genland eingewanderter Nachkomme des alten Schwaben— 
geschlechtes) hielt er zeit seines Lebens an Sprache, 
Sitten und Gebräuchen des Landes fest, ja er bewahrte 
sie bis zum Tode in einer seltenen Reinheit. Die Eltern 
ühersiedelten nach Budapest und der Knabe erhielt dort 
seinen ersten geregelten Violinunterricht durch den 
Theater-Konzertmeister St. Serwaczynski. Die Fort— 
schritte im Technischen waren bald so groß, daß der 
Lehrer mit seinem achtjährigen Schüler ein öffenlliches 
Konzert wagte, bei dem Stücke pon Eck Schubert und 
Pechatschek mit Erfolg vorgetragen wurden. Zur wei—⸗ 
teren Ausbildung kam der Knabe nach Wien, wo 
Hellmesberger Vater und seine Söhne die Studien lei— 
teten; da kam der kritische Augenblih. Hellmes⸗ 
berger riet wegen Unzulänglichkeit des rechten Armes 
vor dem ferneren Studium ab. Der Vater holte den 
Rat des Geigers H. W. Ernst ein und dieser erkannte 
nicht nur die Gründe der fehlerhaflen Bogenführung, 
sondern auch das eigenartige Genie Joachims. .5 
und riet zu einem vollständigen Lehrerwehhsel So kam 
der entmutigte Jüngling zu Josef Böhm wo er drei 
Jahre als Schüler und Kostzögling verbleb. Dann ginge 
weiter nach Leipzig zu fürsorglichen Verwandten; in 
einem Konzert der Sängerin Viardot-Garcia feierte er 
die erlsten Triumphe im Gewandhaus. Kein Geringerer 
als F. Mendelssohn begleitete den zwölfjährigen Kna— 
ben am Klavier und, wenige Wochen hernach pielteer 
die gefürchtete „Othello-Fantasie“ von Roffini-Ernft mit 
taunenswerter künstlerischer Reife. Mendelssohn nahm 
lich des jungen Künstlers wärmstens an, überwachte seine 
wissenschaftliche und musikalische Weiterbildung, ermög 
lichte ihm Konzertreisen nach Rorddeutschland und nag 
England. Mit sechzehn Jahren wurde er zweiter Konzerl 
meister und Lehrer am Konservatorium in Leipgig aus 
Anraten Fr. Lißzts nahm er die Slteile eines Konzert⸗ 
meisters in Weimar an, wo er von 1850 bis 1858 
verblieb, wurde Ehrendoktor von vier Universitäten, 
vertauschte aber den. Posten mit dem eines Kammer 
virtuosen beim König Georg von Hannover, mußte 
aber daneben auch Symphoniekonzerte der Hofkapelle 
leiten. Nun heiratete er die aus Marburg gebürtige 
teirische Sängerin Amalie Schneeweiß, die dann dem 
Theater entsagte und Liederinterpretia wurde, ais Kon— 
ertsängerin feierte sie besonders mit Liedern von 
. Schumann und I. Brahms große Triumphe in 
Zeipzig und Wien. Den entscheidenden Wendepuntt im 
Leben Joachims bildete das Kriegsjahr 18865 Sannover 
»erlor seine Selbständigkeit, rückte in künstlerischer Be— 
iehung an dritte Stelle, und der Meistergeiger zog nach 
erlin an die neugegründete Hochschüle für Musik, 
„ieb daselbst bis zu seinem im August 1907 erfoigten 
sode. Hier entfallkete er als Bach, Beethoven⸗ und 
Bbrahmsspieler eine rege Tätigkeit, widmete sich zusam— 
nen mit A. Moser der Lehrtätigkeit und gründete im 
LBerein mit dem Cellisten Hausmann das später welt— 
erühmt gewordene „Joachim-Quartett“. In feinen zahl— 
osen Schülern, u. g. Burmester, fand er gediegene Rach 
zhmer, aber eigenttlich keine gleichwertigen Nachfolger. 
J. Brahms widmete ihm sein genial angelegtes Violin⸗ 
onzert in D-dur mit Orchester. Von den Kompositionen 
Joachims verdienen an erster Stelle drei Violinkonzerte 
das in ungarischer Weise kam auch in Linz zur ersoig— 
eichen Aufführung) genannt zu werden; in weiterem 
Abstand waren die Konzertouvertüren: Demetrius, dem 
Andenken Kleists, ein Nokturno, die Marfa⸗-Szene nach 
Schiller und eine hebräische Melodie erwähnenswert. 
Ausgezeichnet sind seine Ausgaben der Werke von Bach, 
Beethoven, und J. Brahms (Ungarische Tänze), vor⸗ 
ꝛildlich die große Violinschule in Gemeinschaft mit 
A. Moser (Verlag N. Simroch in Berlin) und über— 
aus lehrreich der Briefwechsel mit Brahms. Zu der 
ieudeutschen Schule fand Joachim kein richtiges Ver— 
zältnis, dafür verband ihn innige Freundschaft mit 
Mendelssohn, R. Schumann, E. Hanslick, Th. Billroth 
und J. Brahms. Man könnte ihn am besten mit H. v— 
Bülow vergleichen. Das Gesamturteil läßt sich in die 
Worte Hanslicks einkleiden; „Er war ein durch die 
gZlänzendste Virtuosität hindurchgegangener vollendeter 
Musiker. Dr. C. Preiß. 
Die Liga zur Erhaltung und Förderung der 
Musikkultur. 
Am 10, Mai d. J. fand die gründende Versamm— 
lung der „Liga zur Erhaltung und Förderung der 
Musikkultur in Oesterreich“ statft. Wie nicht anders zu 
exwarten war, hat sich der Oesterreichische Musiker— 
Verband, die Majorität in der Leitung dieser Liga ge— 
sichert. Die politische Richtung der Liog ist, somit ge— 
geben, und daran werden die übrigen Mandatare, die 
den unpolitischen Charakter der Liga wahren sollen, 
nichts ändern.— 
.Es ist kein Geheimnis, daß hinter dem Programm 
dieser Kiga ein Hauptschlager vorbereitet ist oder, wird, 
nämlich, daß allen Musikern, die nicht im Oesterreichi— 
schen Musiker-Verband organisiert sind, endlich einmal 
der Garaus gemacht werden soll. Was der Oesterrei— 
chische Musiker-Verband bis jetzt nicht im eigenen Wir— 
ungskreis imstande war, soll jetzt die Liga, durchführen. 
Der Oesterreichische Musiker⸗-Verband will seine Absicht, 
die Konkurrenz der anders orientierten Musiker, die er 
nur als lästige Tilettanten, Nebenberufler usw. hinftellt, 
aus seinem Machtbereich zu entfernen, mit Hilfe der 
Liga in n Wge leiten. Die Tatsache, daß nur der 
Desterreichische Musiker-Verband in der Liga vertreten 
ist und andere Musikerorganisationen (Verbände, Ver— 
zinigungen) zur Mitarbeit weder aufgefordert noch zu— 
gelassen wuürden, zeigt zur Genüge, wo die Liga (rich⸗ 
tig gesagt der Oesterreichische Musiker-Verband) hinzielt. 
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—S 9 —— «— verlang9 
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Der neue Typ 
des Lexikons 
—2 ö— ——— 
Grundlich und lebendig, 
zuverlässig und impulsiv 
sand us n srscenien * 
VERLAG HERDER, FREIBUVRG IM BREISGAV
	        
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