Volltext: Alpenländische Musiker-Zeitung Folge 12 (Folge 12 / 1930)

„Alpenländische Musiker-Zeitung“ 
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Bei den Proben hatte er nur einige Orden angeheftet; bestaunt und der Konzertmeister fragte ihn: „Was hat 
als er nun am ersten Festtag, mit seinen glänzenden denn Wozart für Orden gehabt?“ Worauf ihm Spontini 
Ordensbändern geschmückt, ans Pult trat, ward er lebhaft antwortete: „Wozart braucht keine Orden!“— 
Eine Erinnerung an die erste Pariser Aufführung 1830. 
Im Jahre 1830 begann im italienischen Opernhause 
zu Paris ein Operngastspiel deutscher Kuͤnstler, dreimal 
wöchentlich. Der Spielplan zählte folgende Opern: „Frei— 
schütz“, „Oberon“, „Entführung“, „Zauberflöte“, „Fi— 
delio“, „Faust“ (von Spohr), „Vampyr“ (von Warsch— 
ner)„Schweizerfamilie“, „AUnterbrochenes Opferfest?, 
„Bibiana“ (von Pixis). Naͤchstehend bringen wir die 
Bemerkungen eines Pariser Blattes über die erste Auf— 
führung des „Fidelo“ daselbst. Sie sind von Eberhard 
Kuhlmann mitgeteilt worden und lauten in ihrer ur— 
sprünglichen Fassung: 
„Die alten Freunde und langjährigen Besucher der 
Opéra comique dürften sich ohne Zweifel noch der 
Oper Leonore von Bouilly entsinnen, die im Jahre 
1798 dort aufgeführt wurde. Der Inhalt derselben ist 
der bekannte Vorgang, wo sich eine Frau in männlicher 
Verkleidung als Gehülfe des Gefängnißaufsehers in den 
Kerker- ihres Gatten stiehlt, und ihn einen Augenblick 
darauf, nachdem sie die Gruft für ihn zu graben ange— 
wiesen worden ist, aus seiner Haft befreyt. Von der 
Partitur des Gaveaux ist nichts als die jetzt auch aus der 
Mode gekommene Vomanze: ‚„O Fidelio, mein süßer 
Freund', geblieben, das übrige ist seit langem und mit 
Vecht für immer vergessen. Dieser Gegenstand ist auch der 
Stoff der Beethovenschen Fidelio. Diese Oper ergreift, 
erschüttert, ja wir möchten sagen, sie wühlt das Innerst— 
Innerste auf, ohne daß man eigentlich weiß, an welche 
Stelle man sich halten soll. Die durch die Musik Ros— 
inis, Cimarosas, Guglielmis und Anderer verwöhnten 
Ohren werden durch die gewaltige Kraft und das Groß— 
artige der Beethovenschen Harmonien in eine Art von 
prachlosem Erstaunen versetzt. Da gibt es freylich nun 
keine Motive, die man beym Weggehen aus der Oper 
trillern kann. Bey, der ersten Anhörung des Fidelio 
wird man wie bey dem Anblick eines übermenschlichen 
Werkes von einem unaussprechlichen zugleich niederwer— 
fenden und erhebenden Gefühle ergriffen. Man faßt die 
Unermeßlichkeit dieser Schöpfung, aber nur auf verwirrte 
Weise, wie in Dämmerung befangen, und würde, wenn 
man klare Rechenschaft darüber geben sollte, sich eben 
so verlegen fühlen, wie derjenige, der ein reiches Lager 
köstlicher Kleinodien und prachtvollen Edelgesteins beym 
zuckenden Scheine eines Blitzes erblickt hat, und nun die 
einzelnen Stücke, aus denen dasselbe besteht; und ihre 
Art und Beschaffenheit angeben sollte. Man müßte Fi— 
delio fünfzigmal nach einander hören, fünfundzwanzig— 
mal, um mit den Details zu ringen, und sich derselben 
eines nach dem andern zu bemächtigen, und dann noch 
fünfundzwanzigmal, um das Werk aufs neue zu schaffen 
und desselben zu genießen. Wirklich gehe ich nur zitternd 
daran, einige Worte uͤber Fidelio zu wagen, denn um 
auf eine seiner würdigen Weise darüber zu sprechen. 
müßte man einen, dem Genius des Tonschöpfers eben— 
bürtigen, schriftstellerischen Genius besitzen. 
Wenn die Verächter der musicalischen Theorie und 
Wissenschaft aus einem Beyspiele zu erfahren wünschen, 
wozu selbe nützlich seyen, so mögen sie hingehen, um 
den vierstimmigen Canon zwischen Warcelline, Leonore, 
Rokko und Jaquino zu hören, dieses Tonstück, dessen Mo— 
tiv so schlicht und einfach ist, wird nach der Veihe von 
den Sängern angegriffen, und jedesmal auf verschiedene 
Weise, bald mit den abgebrochenen Noten Warcellinens 
bald mit den melancholischen Weisen Leonorens begleitet. 
Sie werden alsdann einsehen, daß die von Studien ent— 
blößte, auf sich selbst verwiesene Begeisterung nie und 
nimmer auf solche Entfaltungen einer und derselben Idee 
gerathen wäre. Ferner empfehle ich ihnen als Erzeug— 
aiß des Bundes der Wissenschaft mit dem Talent, die 
drey Noten, welche inmitten des großen Rezitativs Leo— 
norens nach der Reihe von der Flöte und den Bässen 
ruhig vorgetragen werden. Man kann sagen, daß der 
Janze erste Act des Fidelio eine große und prachtvolle 
Symphonie sey, worin die Stimmen wie die Fagottes 
und die Waldhörner jedes ihre Stelle einnehmen. Im 
zweyten Acte aber wächst das Genie Beethovens ums 
Doppelte. Das Orchester hat zwar von seiner Wichtigkeit 
nichts verloren, die Stimmen haben aber in selber ge— 
vponnen. Die Berechnungen der Wissenschaft und die 
Z3chwünge der Begeisterung scheinen, weit entfernt, ein— 
inder zu beeinträchtigen, sich durch einen unbegreiflichen 
Linklang zu gatten, sich in einander zu verschmelzen, 
am die Hervorbringung der Wirkung zu erzielen, welche 
hierdurch den höchsten Grad des Erhabenen erreicht. 
Ich habe mein Lebelang viele Musik gehört, noch mehrere 
jelesen, ich habe aber noch nie etwas gehört noch gelesen, 
was einen dem Eindruck des Melodrams und des Duod, 
während man die Gruft bereitet, gleichkommenden Ein— 
druck in mir hervorgebracht hätte. Welche Würde liegt 
in dieser Musik! welcher unnennbare düstere Zauberton! 
ẽEs fehlt an Ausdrücken, um das Quartett und vor allem 
den Schlußchor nach Gebühr zu preisen.“ —8 
Konradin Kreuter. 
Zum 150. Geburtssstag am 22. November 1930. 
WVon Emuanuel Kretschmer, Bremen. 
Feierliches Glockengeläute, frommer Hirtengesang, fer— 
ies Alphorngetön, wehmutsvolle Liebeslieder, froͤhliche 
und frische Männerchöre, in weichen Wohlklang getauchte 
Weisen: das ist so das Wesen seiner Musik. Wit Unrecht 
st seine volksstümliche Oper: „Das Nachtlager von Gra— 
iada“ fast vergessen; nur noch selten erscheint sie auf 
»en Bühnen. Und doch' war sie dereinst der Liebling 
iller Theaterbesucher. Wer erinnert sich nicht mehr der 
chönen Romanze: „Ein Schütz bin ich in des Vegenten 
Zold“, des innigen Chor-Gebetes: „Schon die Abend— 
locken klangen“, der charakteristischen maurischen Ro— 
tanze: „Leise wehet, leise wallet der Ton“, der wunder— 
amen Arie mit Wandolinenbegleitung: „Wer klagt am 
Hitterfenster“ und des glänzenden Violinsolo des zweiten 
Aktes? Nur in wenigen Exemplaren ist die geschriebene 
Partitur dieser romantischen Oper vorhanden. Die Kla— 
ierauszüge mit der zum Dirigieren eingezeichneten In— 
trumentierung müssen da aushelfen. Und trotz des Rie— 
enerfolges dieses naiven und köstlichen Werkes war das 
Ende Kreutzers ein recht trauriges. Fern der Heimat starb 
r in der Fremde zu Riga 1849, woselbst eine Tochter 
ils Sängerin am Theater wirkte. Neben der obigen 
Rper schrieb er die Musik zu Raimunds Volksschauspiel: 
Der Verschwender“ und zu vielen anderen Bühnenwer— 
en. Ganz besonders bekannt wurde er auch durch die 
ielen Männerchöre, die auch jetzt noch gesungen werden. 
zu den bekanntesten derselben gehören: „Das ist der 
dag des Herrn“, „Dir möcht ich diese Lieder weihen“, 
„Droben stehet die Kapelle“ und „Was schimmert dort 
iuf dem Berge so schön“. Sie alle sind im Satze sehr 
vohlklingend und in der melodischen Fassung äußerst 
angbar. Die vielen anderen Kompositionen sind trotz ihrer 
Formenschönheit vergessen. Kreutzer war eine lyrische Na— 
ur, alle Kompositionen zeichnen sich durch Volkstuͤmlich— 
eit, Melodie, Innigkeit und Sanglichkeit aus. — Zu 
Meßkirch in Baden geboren, war er in Wien Schüler des 
»erühmten Kontrapunktikers Albrechtsberger, bereiste als 
dlavierspieler und Sänger Deutschland, war vorüberge— 
)end Hofkapellmeister in Stuttgart, dann als solcher beim 
Fürsten in Donaueschingen, kam als Dirigent an die 
zofoper in Wien und schuf hier seine besten Werker Hier 
var es ihm auch vergönnt, bei der Beerdigung Beetho— 
»ens einen Zipfel des Bahrtuches zu tragen. Und doch 
— auch ihm verwehte gar bald der Ruhm. Auf dem deut— 
chen Friedhof in Riga schlummert der Vuhelose und 
»om Leben hart Betroffene einer besseren und gerechten 
Hoffnung entgegen. (D. M. M.3.)
	        
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