Volltext: Alpenländische Musiker-Zeitung Folge 5/6 1935 (Folge 5/6 / 1935)

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5. 6. Folge U 
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derlag Berwaltung und Schriftleitung in St.Georgena.d. G., Ober⸗Ost. 
6. Jahrgang 
Lebende Musit oder Tonlonserbe 
Vom Leidensweg eines Berufsstandes. 
es das bereits drohende Gespenst der Arbeitslosigkeit, 
indererseits wurde der verdiente Lohn wieder wert— 
eständig. Die unheilvolle Auswirkung auf unser Be— 
ufsleben war damit vollständig gegeben. Die Musik— 
etriebsstätten wurden immer leerer, die Konzertbetriebe 
entließen ihre Musiker oder verringerten ihre Orchester, 
ind die Lustbarkeitsabgabe, welche aus der ersten Nach— 
riegszeit mit ihrer Scheinkonjunktur hervorgegangen, 
iach wie vor mit voller Wucht auf die noch intakten 
Betriebe drückte, vollendete das Debakel. 
Zum allgemeinen wirtschaftlichen Uebel kam dann 
ioch die geistige Umstellung der Jugend auf Sport, 
der zum Anterschied von der Kunst reichliche Zuwen— 
dungen aus öffentlichen Mitteln erhielt. 4 
War durch diese Entwicklung unser Berufsstand 
zereits in schwerer Gefahr, so wurde ihm durch die 
Erfindung neuer epochaler mechanischer Musikformen 
ast jede Existenzmöglichkeit untergraben. —*8 
Zuerst war es die Erfindung des Vadios, welche 
den Musikern weite Betätigungsfelder nahm, konnte 
och jedermann um wenig Geld im Wonat täglich ein 
pvollständiges Unterhaltungsprogramm in seinem eige— 
ien Heim bei aller Bequemlichkeit und unter keinerlei 
veiteren Spesen genießen. Nur verhältnismäßig wenige 
Musiker fanden durch das Radio Beschäftigung und 
n den ersten Jahren des Rundfunks auch gute Ver— 
ienstmöglichkeiten. Eine vielfache Anzahl der im Rund— 
unk beschäftigten Musiker jedoch wurde durch die Kon— 
urrenz dieser Neuerfindung aus unrentabel gewor— 
denen Musikerbetrieben entlassen. 
Bald nach der Verallgemeinerung des Radios 
zesellte sich als weiterer gefährlicher Feind der Musiker 
der Tonfilm hinzu. Was die Einführung des Ton— 
ilmes für eine große Gruppe von Berufsmusikern be— 
deutete, ist selbst dem Laien vollständig klar. Rund 
160 Kinos in Wien allein entließen ihre Musiker, die 
wieder die bereits vorhandene große Anzahl arbeits— 
oser Musiker um mindestens 800 in Wien allein ver— 
nehrte. Alle diese armen Menschen standen nun vor 
dem gänzlichen Nichts. 
Die nächste für uns in ihrer Auswirkung unheil— 
dolle Erfindung, nämlich die des Lautsprechers, machte 
die letzten Hoffnungen der bereits schon brotlos gewor— 
»enen Musiker, wenigstens durch fallweise Beschäfti— 
zung in verschiedenen Gaststätten an Samstagen, Sonn— 
und Feiertagen, ein, wenn auch kärgliches Einkommen 
zu erhalten, zunichte. Fast in allen Lokalen, welche 
rüher lebende Musik verwendeten, gröhlt jetzt der Laut— 
precher. Ein Gang durch den sommerlichen Prater 
wirft ein grelles Licht auf diese traurige Tatsache. 
Zu all dem Unheil, welches das seuchenartige 
hereinbrechen der mechanischen Musik den WMusi— 
ern; aber auch anderen verwandten Berufsgruppen 
zrachte, gesellte sich noch die Verwendung der Schall— 
»latien im Rundfunk. Diese Tatsache ist wohl das Un— 
Jlaublichste, was unserem schwer getroffenen Stande 
ioch angetan werden konnte. Nicht genug, daß das 
Radio durch die Wassenverbreitung der musikalischen 
Arbeitslos! Des Wortes niederschmetternde Be— 
deutung kommt als Wassenerscheinung in keinem ande— 
ren Berufszweig so zum Ausdruck wie in unserem 
Musikerberuse. Unter den Musikern hat es auch in 
früheren Jahren immer eine größere Anzahl gegeben, 
welche keine ständigen Engagements fanden, oftmals 
es aber sogar vorzogen, nur fallweise Beschäftigungen 
anzunehmen, da diese oft einträglicher waren als so 
mnanche feste Stellung. Dies waren allerdings noch 
Konjunkturzeiten für die Musiker. Zu diesen Zeiten 
gab es noch gutgehende musikalische Theater in großer 
Zahl, welche fast durchwegs große Orchester unter— 
hielten. Auch die Konzertcafes und Nachtlokale hatten 
Massenbesuch und in den Kinos konnten die Musiker 
Brot, wenn auch kein leichtes, finden. Zu allen Ge— 
legenheiten gab es außerdem Veranstaltungen aller 
Art, bei welchen großer Bedarf an Musikern herrschte. 
Auch gab es zu jener Zeit noch eine echte Gemütlich— 
keit, welche sich die Menschen, besonders die Wiener, 
aicht ohne Musik denken konnten. Wer damals Müsik 
als Beruf ausübte, der kam auf seine Rechnung, ob— 
vohl schon immer Konkurrenten, wie Wilitärmusiken, 
Vereinskapellen u. dgl. auf den Plan traten. Man fand 
sich damit niemals ab und haben sich auch die Musiker 
und ihre Organisationen immer, wenn auch vergeblich, 
dagegen gewehrt. Trotz dieser Konkurrenz war es immer 
noch ein erträgliches Leben als Musiker. 
Was ist nun geschehen, daß sich alles so zum 
Unglück für unseren Berufsstand gewendet hat? Ist 
wirklich nur die Not der Zeit daran schuld oder sind 
es nicht vielmehr Umstände, die bei einigem Verständ— 
nis für den Berufsstand der ausübenden MWusiker zu 
bermeiden gewesen wären? Wie war denn die Ent— 
vicklung? 
Nach dem Umsturz im Jahre 1918 kam die Geld— 
entwertung und mit dieser eine allgemeine Scheinkon— 
junktur. Auch die Musiker hatten daran ihren Anteil, 
var doch mit dieser Scheinkonjunktur ein allgemeiner 
Aufschwung des Musikbedarfes zu verzeichnen. Die 
öffentlichen Musikstätten waren, voll von Wenschen, 
velche in ihrer Verzweiflungsstimmung über die täglich 
mit Riesenschritten fortschreitende Geldentwertung trach— 
eten— im Vergnügen Betäubung für ihre Sorgen zu 
finden. 
Dies ging eine gewisse Zeit so fort, bis eines 
Tages die Stabilisierung unserer Währung durch 
Bundeskanzler Dr. Seipel diesem Taumel ein jähes 
Ende setzte. Die sogenannte Stagnation trat ein. 
Die in der vorhergehenden Zeit gemachten Schieber— 
gewinne gewisser Leute zerflossen bald wieder so wie 
sie erhamstert wurden. Das durch die Stabilisierung 
der Währung bedingte Abflauen der Scheinkonjunktur, 
die trotz Vollbeschäftigung weiter arbeitender Kreise 
niemandem Segen brachte, hatte natürlich größte Spar— 
samkeit der Bevölkerung zum Gefolge. Einerseits war
	        
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