Volltext: Heimat und Volkstum

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nütziger" und „staatsbürgerlLch'er" Erziehung ist die Heimat mit ihren 
klar aufliegenden öffentlichen Verhältnissen, welche häufig den engeren Lebenskreis des 
Rindes hart berühren, die nächste Grundlage. Ebenso ist die Heimat das anschaulichste 
Lehrmittel für die „Lebens- unb Gegenwartskunde", dieser Brücke zur sitt¬ 
lichen Bildung, der sie die lebendigsten und wirksamsten Beispiele, Stätten und Vor¬ 
bilder für edle Handlungen darbietet. Und wer feine Heimat kennt und liebt, dem wird 
auch die wärmste Neigung für Volk und Vaterland im Herzensgründe erblühen. 
3. „Heimatkunde", ein wachsender Begriffsinhalt. 
In der Heimat erwachsen uns die hervorragendsten 
Gedanken, gleichsam die Strahlen eines allgemeinen Lichts. 
Leibniz, protogäa. 
Im Sommer 1917 kam ein älterer Blutsbruder zu mir und ersuchte mich um einige 
Auskünfte für die von ihm beabsichtigte stärkere Pflege des heimatkundlichen Unterrichts. 
Ich möchte ihm sagen, wann und von wem fein Schulort gegründet worden fei, ferner, 
welche Grte im Bezirk Städte und Märkte seien. Der gute Mann war enttäuscht, als er 
erfuhr, daß es nicht möglich fei, von unseren älterm Grien Gründungszeit und Gründer 
genau anzugeben und daß es für die Schule von geringer Bedeutung fei, welche (den 
Rindern unbekannte) Grte im sehr ausgedehnten politischen bezirk den Titel Stadt oder 
Markt führen. Ebenso wenig erfreulich wirkt die neuere Nuffassung der Heimatkunde 
auf jene spießbürgerlichen Romantiker, die z. B. die Entstehungsgeschichte der nahen Burg 
kurzerhand aus deren Namen ableiten und die aus allen Himmeln fallen, wenn sie erfahren, 
daß die Burg nie von gewerbsmäßigen Raubrittern bewohnt gewesen war, auch, daß es 
nicht die Schweden oder gar Raifer Rudolf von yabsburg waren, die die Burg zur heutigen 
Trümmerstätte machten und daß der Habsburger zur Seit der Erbauung unserer Burg 
ja bereits im vom zu Speier ruhte. Und wenn es keine Raubritter waren, freut 
sie die ganze Geschichte nimmer. — Früher genügte der Heimatkunde ein einziges Buch, 
die Landeskunde, die heute noch hie und da in irreführender weife als „Heimat¬ 
kunde" benannt zu werden pflegt; später kamen Bezirke kund e n in eifriger Zu¬ 
sammenarbeit der Lehrerschaft zustande, freilich nicht Ln allen Landern; ich möchte da 
veutschböhmen und Württemberg hervorheben, während Bayern dagegen wenig solcher 
Brbeiten aufzuweisen hat. Den heutigen Nnforderungen der Schule genügen auch diese 
Bezirkskunden nicht mehr; es wird nun die GrtsKunde erforscht und es wird der 
Ruf nach heimatbüchern für engere Schulgebiete immer öfter erhoben, immer öfter 
erfüllt. Die Grtskunde gliedert sich, dem örtlichen Nusbau der Lehrpläne entsprechend, 
schon wieder in viele Bbschnitte. Buch ist der heimatkundliche Unterricht nicht mehr auf 
das dritte Schuljahr beschränkt; er wird heute aus allen Bltersstufen «erteilt, 
denn auch der weitere Unterricht ist doch nur ein Ausbau des anfänglichen heimatkund¬ 
lichen Unterrichts, wobei sich gesonderte Sachgebiete von selbst ergeben, wenn nicht die 
Heimatliche Grundlage (der jeweilige Besprechungsstoff) einen förmlichen Gesamt¬ 
unterricht ermöglicht. 
Ein solcher Unterricht führt aus dem oertrauten Rreife der engeren Heimat hinaus 
in die weite, mit dem deutschen Menschen über die deutsche Erde, aber immer wieder auf 
die Heimat zurückblickend. Die Natur des vaterländischen und des fremden Bodens mit 
feiner Tier- und pflanzenw>elt, das Luftmeer mit seinen Erscheinungen, der Himmel, der 
sich darüber wölbt, sie werd>en alle am besten aus den gleichen Verhältnissen der Heimat 
verstanden werden, wie sich ja selbst für die Vorgänge der Erdgeschichte im Heimatsgebiets 
vergleichbare Beispiele, wenn auch in stark verkleinertem Maßstabe, auffinden lassen. 
Wenn für den Unterricht der Mittelschule die Worte Hermann Grimms gelten: 
„Unsere Jugend hat bisher von Italien und Griechenland aus Deutschland betrachtet, 
sie soll nun von Deutschland aus Italien und Griechenland kennen lernen", so hat für 
unsere Volksschule der Spruch Bedeutung: „Erst die Heimat, dann die Ferne, «erst die Erde, 
dann die Sterne."
	        
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