Volltext: Heimat und Volkstum

41 . 
der Altersstufe nicht entspricht, überhaupt in fremdem Gewände auftritt, weil sie sich nicht 
auf öle yaussprache und- die MLersmundart des Kindes beschränkt, sondern in süddeutschen 
schulen z. 6. auch Wörter aus dem mittel- und norddeutschen Sprachschatze bringt, anstatt 
daß sie vorerst nur Wörtergut brächte, in dem StammesmundarL und Schriftdeutsch 
übereinstimmen. 
Der Bilderschmuck der Fibeln und aller andern Schulbücher sei unbedingt der 
Volksschichte entnommen, aus der das Kind stammt, womöglich dem Ürbeitsleben. Er 
zeige nicht alle Leute im Sonntagsstaate oder in der städtischen Tracht. Da sitzt in einem 
Sprachbuche die Mutter aus dem Sofa, den spitzenbesetzten Schlafrock an, die Hände im 
Schoß, das Mädchen davor im prinzeßkleidchen, der Vater immer ein seiner Stadtherr. 
Die Kinder der bauern und Arbeiter erhalten so schiefe Anschauungen von der wirklichen 
Welt. Sie glauben, eine richtige Mutter müsse so missehen, bei ihnen daheim sei es nicht 
das Rechte, sie müßten den städtischen Instand erstreben, buch die Lesestoffe seien dem 
Gesagten entsprechend von sozialem Geiste durchhaucht. 
Es sollten im Lesebuche die heimatlichen Dichter und Geschichtsschreiber zu 
Morte kommen. Die Einführung Ln das Schrifttum des Volkes geschehe über die bekannte 
Heimat, das Heimatland, den eigenen volksstamm. Geschichtliche Darstellungen, Schilde¬ 
rungen des Naturlebens und der Landschaft seien nur belege zum Realienunterricht, 
der nicht „an der Hand des Lesebuches", sondern aus Grund des h e i m a t b u ch e s ge¬ 
gliedert und erteilt wird. 
Noch einige Worte über die mundartlichen Stücke im Lesebuch. Erstens 
wissen die Lesebuchmacher nicht zwischen schlechten Gedichten Ln der Mundart und zwischen 
echten Erzeugnissen der Volksdichtung zu unterscheiden. Mundartliche Gedichte sind ge¬ 
wöhnlich schlecht, weil sie häufig weder dem Wortschatz, äußerst selten aber — oder fast 
me — dem 5 atzbau der Mundart entsprechen: schristdeutsche Gedichte in den mund¬ 
artlichen Laut st and übersetzt. Geradeso, wie wenn eine städtische Nöhmamsell am 
Sonntagnachmittag spaßeshalber eine Bauerntracht anzieht, Unterwäsche, Hut und Lack¬ 
schuhe aber anbehält. Kinderlieder, Nuszählreime, sowie die übrigen zahlreichen mund¬ 
artlichen. vor Jahrhunderten her überlieserten Sprüche und Lieder weiß man nicht zu 
finden. Und wenn man sie wirklich einmal hat, versteht man sie nicht schriftlich wieder¬ 
zugeben. Ich habe Ln dieser Richtung einmal aus die Mißgriffe im „Deutschen Lesebuch" 
des Schulbücherverlages hingewiesen. Solche Stücke gehören überdies nicht ins Kronland- 
lesebuch, weil sie nur Geltung für ein eng beschränktes Gebiet haben können, wenn sie 
nicht, wie schon erwähnt, infolge schlechter Wiedergabe überhaupt unbrauchbar sind, selbst 
; in der eigenen Heimat. Man scheide die mundartlichen Stücke aus den herkömmlichen 
Lesebüchern gänzlich aus. Ihr Platz ist im Heimat lesebuch, das die Mundart und das 
besondere heimatliche zu pflegen hat. 
In der Iu g end s ch ri st enfr age bin ich zu erzketzerischen Meinungen ge¬ 
kommen. Ich habe neulich einmal den umfangreichen bestand der Schülerbücherei einer 
Sichtung unterzogen und ihn nach den Altersstufen der Kinder in drei Teile geschieden; 
mit bedauern mußte ich da sehen, daß die Oberstufe den Löwenanteil, die Mittelstufe wenig 
und die Unterstufe sehr wenig Bücher zugewiesen erhielt. Es fehlt in den neueren 
Jugendschriften an Büchern für die Unterstufe, an Schriften, die dem Lebens- und Teil¬ 
nahmskreise, sowie dem Sprachvermögen der Anfänger in der Kunst des Lesens entsprechen 
würden. Oer Satz des Hamburger Ästheten, daß für die Jugend solche Bücher die besten 
sind, die nicht für sie geschrieben wurden, will sich für unsere Unterstufe nicht bewähren, 
auch für die Mittelstufe nicht. Mr brauchen einen Christoph von Schmid, der unfern 
Kindern gute Geschichten aus der Vergangenheit und Gegenwart des Volkes und der 
Heimat schriebe, Erzählungen voll innerer Wahrheit und durchströmt von Liebe zu Volk 
und Vaterland, der Vorgänge schilderte, welche die kindliche Einbildungskraft sich leicht 
in die eigene Umgebung versetzen kann. Buch Märchen der Heimat, einfache Erzählungen, 
Volksreime, der volkstümliche Spruchschatz, könnten für unsere Kleinen gesammelt wer¬ 
den. Bus diesem Born könnten dann auch die Fibeln schöpfen. Rein mundartliche Dar¬ 
stellungen mühte dabei vermieden werden, weil solche Darbietungen nur für einen engen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.