15
Wenngleich viele von uns erst von der geschichtlichen Seite her, also auf dem genu߬
reichen Umwege, der uns die Rrbeit von heute als letztes Glied Ln der langen Entwick-
lungsreihe zeigt, zum Verständnis und zum tieferen Eindringen in die Kenntnis von der
heutigen Volkswirtschaft gekommen sind, so sollen wir in diesem Rbschnitte dennoch alle
Romantik beiseite lassen und ganz nüchtern und kühl an diese ohnedies „brennenden"
Fragen herantreten. Übrigens ist ja die menschliche Rrbeit überreich an Poesie, ob es sich
nun um die Rodung von Wäldern, die Rustrocknung von Sümpfen, die Erzeugung von
Brot, Sucker oder Glas, die Führung des Pfluges oder der Sense oder um die Aufsuchung
von Wasser oder der tiefer liegenden Schätze des Bodens handelt. Ich möchte hier auch an
die Schriften von Wax Epth, des Dichters der Technik und an Wenzels Bild „Walzwerk"
erinnern.
Wit der Erforschung der einschlägigen Zustände und der unterrichtlichen Anwendung
deren Ergebnisse, also mit der ausschließlich auf die Jugend gerichteten Einwirkung, ist
noch nicht alles getan; der Lehrer soll auch in der Öffentlichkeit wirken, der es so sehr
an der Durchdringung mit geistig regsamen, weitblickenden, in sozialen und wirtschaft-
lichen Dingen vorgebildeten Arbeitern fehlt. Der Lehrer sei Salz und Hefe im Teig des
Volkes, Rüge und Hirn der Republik.
Cs weht ja heute doch ein ganz anderer Wind als im alten Österreich: das Wursteln,
Freiten, Flicken und alle Halbheit hat ein Ende. Jetzt wird neu gebaut vom Grund auf.
heute braucht kein ernster Reformer mehr mit der uns leider so bekannten leisetreterischen
Versicherung zu kommen, daß er bei seinen Plänen ja beileibe keine Änderung des Be¬
stehenden im Sinne habe (daß er also den pelz waschen wolle, ohne ihn naß zu machen),
eine regelmäßig vorausgeschickte Versicherung, die im alten Österreich nötig war, um das
ängstliche Mißtrauen abzulenken, das die Staatslenker gegen alle regsamen Geister heg¬
ten, welche „an die Grundfesten von Staat und Ordnung" rühren wollten. In den jungen
Republiken harren der Lehrerschaft große, wichti'ge Rufgaben.
Für die Rrbeit in der Öffentlichkeit soll ihr die Erforschung der wirtschaftlichen Zu¬
stände die nötigen Erkenntnisse und Rnregungen, kurz die Grundlagen geben; diese Grund¬
lagen müssen ziffermäßige, stoff- und arbeitskundliche (wirtschaftliche) und fozi'alwissen
schaftliche (gesellschaftskundliche) sein; diese Grundlagen schließen nahezu das ganze Ge¬
biet der Bürgerkunde in sich ein.
h) Ruf dex Suche nach Ziffern und Zahlen.
Die ersten volkswirtschaftlichen Erfahrungen gewinnen wir durch genaue statistische
Erhebungen, welche aber durch den Augenschein gewonnen werden müssen; auf Aussagen
anderer ist erst Wert zu legen, wenn diese mit unseren Erhebungen übereinstimmen oder
sie ergänzen; wo sie abweichen, ist umsomehr Sorgfalt anzuwenden. Die bekannte amt¬
liche Statistik, die bisher großenteils beim grünen Tische und großenteils nach Volks-
fremden Interessen „gemacht" wurde, hat in ihrer angeborenen Blindheit vielfach leeres
Stroh gedroschen und dafür in den wichtigsten Belangen versagt. Durch sorgfältige und
genaue Erhebungen kann hier der Lehrer sowohl dem Volke als dem Staate große
Dienste leisten und diese Berührung mit der Wirklichkeit wird auch ihren Nutzen für
seinen Unterricht haben; dem Rechenunterrichte z. B. sollen ja auch nach den Forderungen
der neueren Schulwissenschaft die ziffermäßigen Verhältnisse der Heimat zugrunde
liegen; der Unterricht in der Naturlehre z. B. soll geradezu auf den heimatlichen Be¬
obachtungen aus dem Rrbeitsleben fußen und daraus feine wichtigsten Anschauungen
und Erkenntnisse ziehen; die Bürgerkunde geht da, wo es sich um die Darstellung der
öffentlichen Verhältnisse handelt, nicht leer aus. Die Beschäftigung mit den Nöten und
Rngelegenheiten der Heimat schlägt feste Brücken zur Staatskunde. *
Ich will und kann hier keinen förmlichen und lückenlosen Fragebogen aufstellen;
um dem nicht näher Eingeweihten zu zeigen, worauf es ankommt, will ich mit Heran¬
ziehung von Vorarbeiten auf die Sachgebiete hinweisen, für die der Zifferstoff festzu¬
stellen wäre; ich glaube damit auch den „statistischen Rbteilungen" unserer Lehrervereine